Zwölf um ein Bett
mürrischen Mann, der eines Tages zwischen den Mieten vom Schlaganfall getroffen wurde, und dann an Fred Williams, der eine landwirtschaftliche Hochschule besucht hatte und von fortschrittlichen Ideen war. Als Junge hatte sich Oliver immer gewünscht, Landwirt zu werden, war aber mit wachsendem Alter von diesen Wunschträumen abgekommen. Mr. North war völlig bereit, einzusehen, daß sein Sohn besser als er wissen müßte, warum er nicht Grundstücksmakler werden wollte; die Tätigkeit, in die Oliver schließlich durch Vermittlung eines Oxforder Freundes hineingekommen war, stieß jedoch bei ihm auf keinerlei Verständnis.
»Erinnerst du dich noch an die Zeit, Ollie, als das hier Vaters Studierzimmer war? Ich möchte wissen, was er eigentlich studierte, wenn er sich hier einschloß. Er kann doch nicht die ganze Zeit an seinem Buch über Shropshire gearbeitet haben, denn als er starb, war doch kaum etwas davon vorzufinden.«
»Vielleicht wollte er uns einfach los sein.«
Die beiden Schwestern saßen nach dem Abendessen in Olivers Zimmer. Heather hatte sich in einem ihrer plötzlichen Anfälle von Gewissensbissen, sich nicht genug um Oliver zu kümmern, mit ihren Flickarbeiten zu ihm gesetzt, und Violet, die eigentlich nur nach einem ihr abhanden gekommenen Hund suchen wollte, hatte das lampenerhellte Zimmer so anheimelnd gefunden, daß sie geblieben war. Sie hatte ein Kissen auf den Boden gelegt, sich darauf gesetzt und den Kopf gegen das Bett gelehnt, wobei sie ihre Beine hochzog, als ob sie Hosen anhätte, was ihrem Kleid nicht gerade guttat.
»Sein Schreibtisch stand unter diesem Fenster da.« Heather biß einen Faden ab und nickte mit dem Kopf gegen das Ostfenster, aus dem man den Rosengarten mit der Eibenhecke und den Tennisplatz sehen konnte.
»Stimmt nicht«, sagte Violet schroff, »er stand zwischen dem Kamin und der Wand. Dieser Tisch da stand schon immer unter dem Fenster.«
»Stell dich nicht dümmer, als du bist«, sagte Heather, die in der Bestimmtheit ihrer Ansichten keineswegs durch die Erfahrung gemäßigt wurde, daß sie in solchen Dingen immer unrecht hatte. »Ich sehe noch ganz deutlich seinen Schreibtisch unter diesem Fenster. Und all seine kleinen Töpfe mit Kakteen und Kalmus und dergleichen standen auf dem Fensterbrett davor.«
Violet schnaubte. »Du bist ein dämliches Huhn.« Wie mit ihren Kleidern, so warf sie auch mit Attributen um sich, die noch aus der Zeit stammten, als Jungenzeitschriften ihre Lieblingslektüre waren.
»Das war doch in London, im Eßzimmer. Hier hatte er überhaupt nie seine Töpfe im Zimmer. Wozu, meinst du, sollten denn sonst die Treibhäuser da sein?«
»Er hatte sie hier.« Heather nähte erbost mit heftigem Eifer, stach sich in den Finger, sagte »verdammt«, schüttelte ihn, sah plötzlich einen Blutfleck auf dem Babyhemd, sagte nochmals »verdammt«, rollte das Nachthemd zusammen und stopfte es in den Flickkorb, zog eine Jacke heraus und schnitt ein Gesicht, nahm einen Wollfaden und eine Nadel, deren Öhr zu eng war, saugte wild an dem Faden, kramte nach einer anderen Nadel, fädelte ein, seufzte und stopfte mit eifrigen Stichen. Das Gemurmel, mit dem sie alle diese Aktionen begleitet hatte, nahm jetzt deutliche Formen an. »Wie willst du das eigentlich wissen?« fragte sie. »Du kamst ja kaum herein, wenn du nicht gerade Essen rochst. Er hatte seinen Schreibtisch unter dem Fenster da. Wenn man zur Tür hereinkam, sah man auf seinen Hinterkopf mit dem kahlen Fleck, über den er seine Haare kämmte.« Sie stopfte einen Augenblick schweigend weiter und fügte herausfordernd hinzu: »Der Tisch da stand unter dem Fenster, wo Olivers Bett jetzt steht.« Violet brach in ein Gewieher aus, stieß ihre Absätze in die Luft und ließ sie wieder auf den Boden knallen. »Das ist gut! Dieser Tisch — dies Fenster — oh, das ist großartig!« Ihr von der Sonne verbranntes Gesicht verzog sich in krampfhafter Lustigkeit.
»Was ist denn daran so komisch? Stoß doch nicht immer so an das Bett, du Riesenroß, du kannst ihm weh tun. Mir ist ganz schnuppe, was du sagst — der Tisch stand unter diesem Fenster, nicht, Oliver?«
»Er war überhaupt nicht in diesem Zimmer«, sagte Violet und lachte so übermäßig, daß sie husten mußte. Manchmal, wenn ein Witz Glück bei ihr gehabt hatte, lachte sie, bis sie blauschwarz anlief und Erstickungsanfälle bekam. »Ollie, erzähl ihr, wie es war.«
»Was denn? Ach, ich weiß nicht.« Er hatte kaum ihrer Unterhaltung zugehört.
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