Zwölf um ein Bett
Über dieser Tür ruhten auf einem schmalen Sims zwei Bauernteller, die nur bei jedem Frühjahrsputz heruntergenommen wurden; jedesmal war dann Mrs. Cowlin wieder erschüttert über die Menge Staub, die sich im Laufe des Jahres darauf angesammelt hatte. Neben der anderen Seite des Kamins bildete der Raum eine schattige Nische mit eingebauten Schränken und einem Regal für die nüchternen Lehrbücher von Mr. North, die kein Mensch mehr in die Hand nahm. Olivers Bücher wurden von Buchstützen in Gestalt von Delphinen gehalten, den gleichen, die früher in Oxford auf seinem massiven Refektoriumstisch unter dem Ostfenster gestanden hatten.
Der ganze Raum war in Dämmerung gehüllt. Wenn auch Olivers Bett selbst im Licht stand, so versperrten doch die Kopfkissen und Deckenwülste dem Licht den Weg ins Zimmer; zudem war das kleine Ostfenster niedrig und von der Dachrinne beschattet, die gerade an dieser Stelle des Hauses wie eine wulstige Augenbraue überhing. Die Decke war niedrig und aus unerfindlichen Gründen abgestuft, deswegen mußte man auch im oberen Stockwerk vom Korridor zwei Schritte zu den südlichen Schlafzimmern hinuntersteigen.
Die Dunkelheit des Raumes hatte jedoch nichts Düsteres, nichts Unheimliches lag in den schwebenden Schatten. Es war die Dunkelheit einer traulichen Hütte, deren kleine Fenster durch Spitzenvorhänge und Blumentöpfe noch winziger wirkten. Oliver liebte die Sonne, hatte aber für diesen unnatürlichen Sommer mitten im Oktober wenig übrig, diesem Oktober, der nur die Zeit hinausschob, in der jeden Abend sein Zimmer von seiner Lampe und dem hellen Feuer erleuchtet werden und in der er einschlafen würde über dem Betrachten der tanzenden Muster, die von dem alten Kamingitter, das Mrs. North unweigerlich abends anbrachte, an die Decke geworfen wurden.
Oliver hatte diesen Raum gern. Er hatte ihn schon immer gern gehabt, lange bevor er zu einer Art Kokon für ihn wurde, in dem er wie eine Raupe auf die Zeit warten mußte, in der sein Körper bereit sein würde, sich in der Welt dort draußen zu erproben. Als er als zehnjähriger Junge mit seiner Familie von London nach Hinkley gezogen war, schlief er in dem komischen kleinen Zimmer mit der eigenen kurzen Treppenflucht, auf halber Höhe zwischen dem ersten Stock und dem Boden. Es besaß das einzige Westfenster des Hauses außer denen im Erdgeschoß; einen Miniaturerker, außen beschützt von überhängenden Dachbalken. Hausschwalben nisteten in dem Winkel zwischen den Balken und der Mauer. Niemals bauten sie ihre Nester an der anderen Hausseite, obwohl er oft genug mit Hilfe der Gartenleiter hinaufgeklettert war und ihnen Woll- und Filzreste hingelegt hatte. Immer wieder war er in dies Zimmer zurückgekehrt, von der Schule, von Oxford und, nicht ganz so regelmäßig, von London und Paris, wo er sich seine Sporen verdiente als von seiner Wichtigkeit überzeugter junger Vertreter einer Firma, die Radioapparate in allen möglichen Verkleidungen herstellte, so daß sie wie Glocken, Bücherschränke oder Zigarrenkisten aussahen — nur nicht wie Radioapparate.
Dies Zimmer im Erdgeschoß, sein jetziges Schlafzimmer, war früher das Bibliotheks- und Studierzimmer seines Vaters gewesen. Mr. North war Makler gewesen. Er hatte nie seinen Beruf gewechselt, denn er gehörte zu den Menschen, die, haben sie sich einmal einer Sache verschrieben, wie an einer Leimrute daran haftenbleiben. Irgend jemand hatte ihm einmal erzählt, man könne niemals in diesem Beruf Erfolg haben, ehe man nicht mit Immobilien in Amerika gehandelt hätte. Drüben hatte er dann die untersetzte, immer sehr freundlich lächelnde Hattie Linnegar kennengelernt, beste Waffelbäckerin ihres Jahrgangs in Philadelphia, die sehr bald davon überzeugt war, daß sie gut zueinander paßten, und keine Schwierigkeiten hatte, ihm das klarzumachen.
Kurz nachdem Violet geboren war, liefen die zwei Jahre ab, die ihn seine Londoner Firma beurlaubt hatte, er ging nach England zurück und nahm seine Arbeit als Makler genau in der alten Art wieder auf.
Er war ein Mensch, der sich neuen Ideen nur schwer anpassen konnte. Er stammte vom Lande und hatte sich nie in London eingewöhnen können. Darum hatte er keinen Augenblick gezögert, nach Shrewsbury zu gehen, als der Geschäftsführer der Filiale im nördlichen Midland gestorben war.
Die Norths hatten Hinkley niemals selbst bewirtschaftet. Sie hatten die Gutsgebäude und den größten Teil der Ländereien verpachtet, und zwar erst an einen
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