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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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beleidigen,dir schaden, sich irgendwie rächen   … nicht mit mir! Ich werde diese Kafur
nicht
hüten, Schwager hin oder her! Du bist mein
Freund
, Babu, begreifst du überhaupt, was das heißt? Obwohl ich sagen muss: Kager ist kein schlechter Kerl. Wenn auch nicht besonders hell im Kopf.« Jetzt lächelte er. »Im Gegensatz zu mir   … auch wenn ich das ganz gut verstecken kann. Ist bequemer so, wird nicht so viel von einem erwartet   … Aber, Babu, zweifle nicht an mir. Alle, aber nicht du.«
    Babu schluckte, ihm war die Kehle trocken geworden. Jator setzte sich wieder neben ihn.
    »Als ich hörte, dass du dieses Ei bekommen hast, war mir vollkommen klar, dass du mich brauchst. Doch du hast nichts von dir hören lassen. Also bin ich zu dir gekommen. War das Streiten ohnehin satt.«
    »Es tut mir leid.«
    »Was?«
    Babu räusperte sich.
    »Jator, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich   … ich habe eigentlich noch nicht so recht begriffen, was ich mit diesem Ei anfangen soll.«
    Jator nickte, zupfte wieder einen Grashalm aus und begann darauf zu kauen. Babu wusste, dass mehr Entschuldigungen nicht nötig waren. Jator hatte sich mit seiner gesamten Familie angelegt. Und hätte nie ein Wort darüber verloren, wenn Babu sich nicht so dumm angestellt hätte.
    »Das Ei ist eine Sache«, sagte Jator und schaute in die untergehende Sonne. »Der Vogel ist die nächste.«
    Ein Falke aus der Alten Zeit. Eine Szasla. Obwohl der Thon ihm seine Aufgabe klar und deutlich genannt hatte, nämlich die Bekämpfung der Hasen, hatte Babu bisher nur über das Ei nachgedacht. Er hatte Jator bitten wollen, sich so lange um die Herde zu kümmern, wie er sein zerbrechliches zweites Herz unter derWeste trug. Erst jetzt tauchte eine neue Frage auf: Würde er seine Tiere überhaupt behalten können? Er holte tief Luft.
    »Ich sehe dir an«, sagte Jator ruhig, »dass dir so langsam etwas klar wird.«
    Ein klagender Schrei zerriss die abendliche Stille über dem Tal. Beide schauten erschrocken auf. Wie ein Stein fiel ein Falke aus den Wolken über ihnen. Erst klein wie ein entfernter Stern, dann schnell immer größer werdend, stürzte der Vogel senkrecht und mit ungeheurer Geschwindigkeit dem Boden zu. Babu stockte der Atem. Nur noch wenige Augenblicke und das Tier würde aufschlagen, direkt zu ihren Füßen. Unwillkürlich legte er die Arme über den Kopf. Jator ballte die Fäuste und kniff die Augen zu.
    Und so sah Jator nicht, wie der Falke nur eine Handbreit über den Grasspitzen die majestätischen Flügel öffnete und den Sturz im letzten Moment abfing. Wie eine Welle schlug der Luftzug den Freunden ins Gesicht, die Grashalme bogen sich und legten sich flach an den Boden. Versteinert und mit schreckensweiten Augen blickte Babu auf den wie schwerelos in der Luft hängenden Vogel. Er hatte die Schwingen gespreizt und den Kopf mit dem tödlichen, gebogenen Schnabel so weit vorgereckt, dass er fast Babus Lippen berührte. Dann, mit einem einzigen kraftvollen Flügelschlag, stieg der Falke wieder auf, nun in einem sanfteren Schwung, und die langen Schwanzfedern streiften Babus Stirn. Er erwachte aus seiner Starre, wandte sich um. Die Szasla war verschwunden. Sie musste in den Hof des Hauses getaucht sein.
    Nun hörten sie auch die anderen Falken: fernes Rufen aus den Wolken und nahe Antwort aus dem Haus. Es war, als lauschte man einer Unterhaltung von Himmel und Erde, voller Sehnsucht und Wildheit. Babu fühlte, wie sein Herz, sein echtes, eigenes Herz, hart gegen die Rippen schlug.
    Die beiden anderen Falken stürzten sich ebenso senkrecht, aber weniger dramatisch und schnell vom Himmel und landeten direkt im Hof, wo ihr Gespräch erstarb. Babu und Jator hatten einige Augenblicke Zeit, um sich zu fassen, bevor die Falkner eintrafen. Babu klangen immer noch die Rufe der Szaslas im Ohr wie ein Echo, das im Innern seines Schädels nicht verhallen wollte. Aber er lächelte, als einer der Falkner, den er auch im schwindenden Licht und unter seiner Kapuze als Asshan erkannte, auf ihn zukam, die Grasmatten zurückschlug und sie mit einer tiefen Verbeugung einlud, das Haus der Szaslas zu betreten.
    Sie gelangten in eine kleine Eingangshalle, die bis auf einige Fässer und Säcke leer war und sich zum Hof hin öffnete. Kaum hatten sie den Raum durchschritten, befanden sie sich schon wieder im Freien. Das innere Geviert des Hofes war grasbedeckt; auf schlichten, in den Boden gerammten Ästen saßen die Falken. Ein umlaufender,

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