Zwölf Wasser Zu den Anfängen
schauen schien.
Ohne ein weiteres Wort trat der Falkner ins Dunkel zurück und entzog sich den Blicken der Männer. Babu stand da, fühlte das Bündel an seiner Brust und hatte keine Ahnung, was nun von ihm erwartet wurde.
»Hüte es gut, hüte es wie dein eigenes Herz, Babu«, sagte der Thon und legte ihm vorsichtig die Hand auf die Brust. »Es ist ein ungeheuerliches Geschenk. Und nun geh schlafen, alles Weitere wird sich finden, vertrau mir.«
Babu nickte betäubt und verließ die Versammlung. Ein ungeheuerliches Geschenk, wiederholte er in Gedanken, als er zwischen Häusern, Lehmhütten und Zelten hindurch zurück zu seinem Pferch ging. Er trug sein zweites Herz über dem ersten, sicher und geborgen.
Am Morgen nach der Versammlung fühlte Babu sich immer noch schlecht und wie verkatert. Aber er war nur verkrampft. Aus Angst, das Ei im Schlaf zu zerdrücken, hatte er den Großteil der Nacht sitzend in einem Halbdämmer verbracht. Kurz vor Morgengrauen war er aus einem beunruhigenden Traum hochgeschreckt – er war im Sitzen doch eingenickt und zur Seite gekippt. Er hatte vom Fliegen geträumt, das Gras der Steppe war in rasender Geschwindigkeit unter ihm vorbeigezogen. Dann war er immer höher und höher gestiegen, bis das Land unter ihm hinter den Wolken verschwand. Blendend hell war es hier oben, eiskalt war ihm geworden und er hatte keine Luft mehr zum Atmen gehabt.
Dann war er aufgewacht, das Gesicht tief in Kafurfelle gedrückt. Voller Panik hatte er das Bündel unter der Weste hervorgezogen.Unbeschädigt ruhte das Ei in seinem Nest aus weichem Stoff. Vorsichtig berührte Babu die Schale mit seinen Fingerspitzen. Sie war warm und rau, wie mit vielen kleinen Pickeln übersät.
»Juhut-ras«, sagte Babu – zweites Herz. Dann wickelte er das Ei wieder ein, steckte es unter seine Weste und ließ sich zurück auf die Felle sinken. Was war nur mit ihm los, dass er mit einem Ei sprach?
Das Ei tat noch mehr, als Babu zum Sprechen zu verführen. In den kommenden Tagen brachte es sein Leben aus dem Tritt. Babu traute sich nicht zu seinen Kafur, aus Angst, sie könnten ihn mit ihren schweren Schädeln stoßen. Er traute sich nicht zu reiten, die Erschütterung erschien ihm schädlich. Er traute sich nicht in die Stadt, weil er fürchtete, in den Gassen angerempelt zu werden, und er traute sich nicht einmal mehr hinunter zum Fluss, aus Angst, auf glatten Kieseln oder glitschigem Schlamm auszurutschen und zu stürzen.
Also lungerte er vor seinem Zelt herum, machte Pfeilspitzen, besserte seine Ledersachen aus und beobachtete die Kafur, die langsam unruhig wurden, denn sie waren es nicht gewohnt, lange im Pferch zu sein.
Aber Jator ließ ihn nicht im Stich. Wie wenn nichts wäre, kam er am dritten Tag nach Mittag angeschlendert, einen Krug Bier im Arm.
»Lässt dich ja nicht mehr blicken«, sagte er nur und goss mit ernstem Gesicht ein. »Na dann, auf die Herde, möge sie wachsen und deinen Ruhm mehren, fur
-
sir!«
»Fur-sir!«
Sie leerten die Becher, Jator schenkte nach.
»Worauf trinken wir nun? Ah, ich weiß.« Jator hob den Becher mit großer Geste und sprach laut. »Auf deine Gesundheit, mögest du die nächsten Zehnen gut überstehen –
Mama
!«
Jator barst beinah vor Lachen. Auch von den angrenzenden Pferchen tönte Gelächter, die Hirten standen an den Zäunen und hatten die Szene beobachtet. Jator kam langsam wieder zu sich und wischte sich Bier von der Hose.
»Ach komm, Babu, jetzt schaust du sogar schon wie ein verschrecktes Mädchen. Glaubst du, wir wüssten nicht, dass du …
was Kleines
ausbrütest? Die ganze Stadt spricht von nichts anderem!«
Jetzt musste auch Babu endlich lächeln. Es war klar, dass sich eine solche Neuigkeit herumsprach.
»Nun zeig schon her!«, forderte Jator Babu auf. Die Hirten kletterten auf die Zäune und reckten die Hälse – gern wären sie näher gekommen, aber Babu dachte nicht daran, sie zu sich zu winken, und ohne ein Zeichen von ihm konnten sie den Pferch nicht betreten. Alles in ihm sträubte sich dagegen, das Ei herumzuzeigen, es erschien ihm viel zu riskant. Nur eine Unachtsamkeit, und es könnte fallen und zerbrechen. Aber seinem Freund konnte er es nicht vorenthalten. Langsam schlug er den Stoff auseinander und wie jedes Mal, wenn er das Ei betrachtete, war er gerührt.
»Oh!«, machte Jator, als er das Ei erblickte. »So klein! Nun erklär mir mal, wie so ein riesiges Biest aus solch einem kleinen Ei rauskommen soll!« Dann schwieg
Weitere Kostenlose Bücher