Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Blasen auf und zerplatzten. Hätte es jemand gesehen, er hätte geglaubt, dass das Wasser kochte. Aber niemand bemerkte das Brodeln im Schilf, und niemand sah die toten Fische: Der Schwarm Gründlinge hatte die tieferen Wasserschichten verlassen und trieb nun bauchoben auf dem Wasser der Merz.
Die Falkner bewohnten ein nach ihren Wünschen entworfenes, rechteckiges Gebäude mit Innenhof abseits der Stadt. Obwohl die Baumeister der Merzer ihr ganzes Können in dieses flache, schmucklose Haus gesteckt hatten, sah auch der in der Baukunst wenig bewanderte Besucher, dass hier unerfahrene Leute am Werk gewesen waren. Kein Winkel entsprach dem anderen, die Wände waren nur mit viel Wohlwollen als gerade zu bezeichnen. Immerhin: Das Haus war aus aufeinandergeschichteten, mit Lehm verstrichenen Steinen erbaut und wirkte solide. Es war so gegen die Sonne gerichtet, dass der Innenhof auch im Hochlendern immer wenigstens zur Hälfte im Schatten lag; das rietgedeckte Dach saß so über dem Hof, dass die Szaslas ungehindert ein und aus fliegen, sich aber dennochauf ihre Sitzstöcke zurückziehen und von Sonne, Regen oder Wind ungestört ruhen konnten. Für Menschen gab es nur einen Zugang, der genau wie die Fenster mit Grasmatten verhängt war.
Babu und Jator gingen einmal um das Haus herum. Dann warteten sie und lauschten.
»Scheinen alle ausgeflogen zu sein«, bemerkte Jator.
»Warten wir also.«
Sie hockten sich ins Gras. Babu musste an seine Herde denken und fragte sich, wie es mit ihr weitergehen sollte – er konnte unmöglich reiten mit seinem zweiten Herzen. Er konnte aber auch nicht weiterhin vor seinem Zelt sitzen und seine Tiere vernachlässigen. Er brauchte Jators Hilfe dringender denn je. Und er würde Jator, sollte der sich auch noch so dagegen sträuben, für seine Hilfe entlohnen. Aber stand Jator denn noch zu seinem Versprechen? Kagers Herde war groß, größer als die von Babu, und Kager war jetzt Jators Schwager. Tascha konnte sehr bestimmend sein, sich ihr zu widersetzen war schwer …
»Sag mal, was ich fragen wollte …« Babu fand keinen rechten Anfang. »Wie geht es deiner Schwester, jetzt, da sie verheiratet ist? Ist Tascha zufrieden?«
»Tascha? Tascha ist nie zufrieden. Aber sie singt den ganzen Tag. Nicht besonders gut, wenn du mich fragst.«
Jator rupfte einen Grashalm aus und kaute darauf herum. Babu schaute auf seine staubigen Stiefelspitzen.
»Und das, was du da kürzlich am Fluss gesagt hast, du weißt schon – dass du mich begleiten würdest, immer … gilt das noch?«
Jator antwortete nicht gleich. Dann spuckte er den Halm aus und sah Babu an.
»Was willst du, Babu? Willst du mich beleidigen? Glaubst du, ich stehe nicht zu meinem Wort?« Er sprang auf. Zornesrötewar ihm ins Gesicht gestiegen. »Ich weiß sehr gut, was ich gesagt habe! So viel Bier kann ich gar nicht trinken, als dass ich so etwas vergessen würde!«
»Jator, bitte … das habe ich auch nicht –«
Jators wütender Blick schnitt ihm das Wort ab.
»So ein kleines Ding … so ein
Ei
… das ändert nichts, überhaupt nichts!«
Er begann auf und ab zu gehen.
»Babu, was glaubst du, was ich die letzten Tage gemacht habe, während du mit diesem Ei beschäftigt warst? Ich habe gestritten! Mit Tascha. Mit allen! Von wegen Singen, nur Geschrei, den ganzen Tag. Ich soll mich um ihre neue Herde kümmern. Und weißt du, warum? Weil
du
dich nicht um
sie
gekümmert hast!«
»Das verstehe ich nicht.«
»Bekommst du denn nichts mit von dem, was um dich herum geschieht? Deine Herde wächst, Solder um Solder, du bist ein guter Hirte, wahrscheinlich der beste der ganzen Horde. Du bist der Neffe des Thons, der Sohn des Friedens, jeder kennt dich! Glaubst du im Ernst, das würde den Leuten, den
Mädchen
entgehen? Die Hälfte von ihnen, ach, ich wette,
alle
, haben ein Auge auf dich geworfen, und Tascha war da keine Ausnahme. Außerdem siehst du gut aus, falls dir
auch das
noch nicht aufgefallen ist!«
Babu war sprachlos. Eine solche Rede hatte er von Jator noch nie gehört. Aber der war noch nicht fertig. Jator blieb stehen und sprach auf Babu herab: »Ich habe mit meinen Schwestern gestritten, mit meiner Mutter, sogar mit meinen Vätern, weil ich nicht einsehe, dass ich dich bloß wegen Tascha im Stich lassen soll. Meine Pflichten gegenüber der Familie soll ich erfüllen? Dass ich nicht lache! Sie hat dich nicht bekommen, ihr Pech. Sie muss sich ihren Kager schönreden, ihn preisen und dich
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