Zwölf Wasser Zu den Anfängen
mir. Bitte.«
Asshan führte ihn in einen der offenen Räume und beugte sich über ein Bündel. Er hatte Babus Besuch offensichtlich erwartetund sich vorbereitet. Jator blieb, wie die beiden anderen Falkner, sitzen und schwieg. Er hob nicht einmal den Kopf. Asshan zog einen reichlich mitgenommenen Handschuh aus dem Bündel.
»Ist für Anfang genug. Deine Leute können besseren machen. Aber wichtig: Schultergurt muss stark sein und breit. Du musst Arm festmachen.«
Babu bezweifelte das, er war jung und stark. Er streifte den Handschuh probehalber über, er passte recht gut. Mit nur zwei lässigen Flügelschlägen erhob sich ein Falke, der mit dem Kragen, ein dritter Flügelschlag, und er war auf Babus Arm gelandet. Und er war schwer wie ein neugeborenes Kalb. Nach nur wenigen Augenblicken verkrampften sich Babus Rückenmuskeln, einige weitere Augenblicke, und er musste den Arm mit der anderen Hand abstützen. Der Falke schwebte wieder in den Hof.
»Die Haube hier«, fuhr Asshan ungerührt fort, »ist für Ruhe. Gut auf Reisen. Szaslas sehen viel, zu viel, manchmal. Große machen, wenn er wächst.«
Babu drehte die mit ausgeblichenen Bändern verzierte kleine Haube zwischen den Fingern. Das Leder war speckig und steif, eine Ausbuchtung ließ den Schnabel frei, zwei halbkugelförmige Schalen dienten als Schutz für die empfindlichen Augen. Jetzt, da er das Häubchen in Händen hielt, konnte er sich zum ersten Mal vorstellen, einen kleinen Falken zu haben. Und die Herde? Was würde mit seinen Kafur werden?
Asshan legte Babu beide Arme auf die Schultern und sah zu ihm auf. »Ohne Sorge, Sohn des Friedens. Nichts ist ohne Grund. Schleier werden fallen.«
Babu verbeugte sich. Dann verließ er mit dem in sich gekehrten Jator das Haus der Falkner. Das hohe Gras der Ebene wiegte sich sanft in der Abendbrise, der Mond stand hoch,streute sein bleiches Licht in die Weiten des Langen Tals und ließ die Gegend, die Babu so gut zu kennen glaubte wie sich selbst, fremd erscheinen wie das Nachbild eines Traums, der mit dem nächsten Atemzug vergessen sein würde.
VIERTES KAPITEL
JUHUT
Babu lehnte sich auf das Geländer der Brücke und sah hinunter ins ruhige Wasser der Merz. Dieser Lendern war lang, zu lang, und brütend heiß, der Fluss bewegte sich kaum und war schmal geworden. Babu hatte sich nie Gedanken über die Merz gemacht, sie war da, sie war die Lebensader des Langen Tals, sie hatte dem Volk seinen Namen gegeben. Als er nun von der Brücke ins Wasser schaute, wurde Babu zum ersten Mal bewusst, wie abhängig sie waren. Würde die Merz nicht nur schläfrig sein wie jetzt, sondern sterben, dann würde mit ihr das ganze Tal sterben. Aber war das überhaupt möglich? Konnte ein so großer Strom aufhören zu fließen? Er seufzte, er hatte genug Sorgen, er musste nicht auch noch über den Fluss nachgrübeln. Babu war auf dem Weg ins Gerberviertel und gönnte sich eine kurze Pause auf der Brücke, bevor er ins Gewirr aus Zelten, Spannrahmen, Bottichen, Hautstapeln und Fleischresten eintauchte. Er kam nicht oft hierher, denn auch, wenn er den Geruch frischen Bluts gewohnt war und den warmen Dunst der Innereien, der einem geöffneten Kadaver entströmte, gut aushalten konnte, so war der Gestank nach Fäulnis, nach Aas und Tod, gemischt mit den säuerlichen Dämpfen der Gerberbrühe,ihm zutiefst zuwider. Er dachte an Jator, der der wahre Grund für seine finstere Stimmung war. Babu rief sich das kurze, heftige Gespräch auf dem Heimweg von den Falknern in Erinnerung.
Sie waren schweigend nebeneinanderher gegangen bis zum Kafurpfad, wo ihre Wege sich trennten – Babu musste weiter in Richtung Fluss zu seinem Pferch, Jator hoch in die Stadt.
»Also dann …«, hatte Babu gesagt und sich zum Gehen gewandt, aber Jator hatte nach seinem Arm gegriffen.
»Ist es wirklich wahr, Babu? Du wirst von hier weggehen?«
Jators dunkle Augen glänzten im Mondlicht. Sie standen voll Tränen. Babu wich dem Blick aus, er wusste nicht, was er antworten sollte.
»Du hast diesen Vogel angestarrt und gefragt, warum du das Lange Tal verlassen musst.«
Jators Hand krampfte sich zusammen, Babu legte seine darauf und löste vorsichtig Jators Finger. Also hatte er doch laut gesprochen. Aber die Sätze der Szasla hatte Jator offenbar nicht gehört.
»Und? Babu! Rede! Sag mir, was du vorhast!«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Du weißt es nicht! Ha!« Jator warf die Arme hoch, dann starrte er Babu an. »Aber ich weiß es. Ich weiß:
Weitere Kostenlose Bücher