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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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  – da umfasste Babu den Falknerdolch mit beiden Händen und streckte sie dem Monster entgegen und rammte ihm die Waffe ins offene Maul und durch den Gaumen so tief in den Schädel, wie es nur ging.
     
    Schwarzes, heißes Blut spritzte ihm entgegen, wie Feuer brannte es auf seinem Gesicht, seinen Händen. Einen Atemzug lang schauten die roten Augen des Wolfes in das Gesicht des jungen Mannes, der eine so sichere Beute gewesen zu sein schien und dessen Willen er doch nicht hatte brechen können. Dann bohrten sich scharfe Klauen hinein und ließen die Augäpfel platzen wie pralle Strauchbeeren. Der Falke grub seine Krallen tief in die leeren, nassen Augenhöhlen, schlug mit den Flügeln, riss den Kopf des Wolfes in den Nacken, weg von Babus Fäusten, die immer noch den Dolch umklammert hielten. Das Untier wurde nach hinten geschleudert, machte einen grotesken Überschlag und blieb mit zuckenden Läufen liegen. Babus Kinn fiel kraftlos auf die Brust.
    Er kniete in einem Trichter aus Schnee.
    Er atmete, schwer.
    Er hörte Hecheln. Er blickte auf.
    Drei, vier, sechs Wölfe, die, über ihm und viel zu nah, nervös am Rand der Grube auf und ab liefen. Doch sie konnten ihn nicht mehr beeindrucken, Babu hatte alles, was ihm in diesem Leben an Furcht zugeteilt gewesen war, bereits aufgebraucht. Er brannte, verbrannte bei lebendigem Leib, aber die Schmerzen, die das glühende Wolfsblut auf seiner Haut verursachte, waren nichts im Gegensatz zu dem, was hinter Babus Augen tobte. Da war er wieder, der scharfzackige Stein, der durch seinen Kopf rollte. Das war ein Schmerz, wie nur Juhut ihn zufügen konnte. Er hatte Babu zurückgeholt, er hatte ihm den Dolch in die Hand gegeben und er rief ihn immer noch, denn der Kampf war noch nicht vorbei.
    Der Falke flog Attacken gegen den Rest des Rudels. Die Wölfe griffen nicht an, aber sie ließen sich auch nicht vertreiben. Sie waren führungslos und nicht in der Lage, so schnell eine neue Ordnung zu finden. Babu stand auf, den Dolch erhoben, das Gesicht in Flammen und das Herz brennend. Er würde sie alle töten   – aber eine Bewegung am Boden hielt ihn zurück. Er blickte auf den Kadaver des mannsgroßen Wolfes. Der Dolch hatte ihm die Schnauze der Länge nach gespalten. Aus dem Spalt quoll kein Blut mehr   – aber was war es dann, das sich dort herausdrängte wie ein Kalb aus dem Muttertier?
    Eine Masse, zäh wie Honig, aber gelbrot glühend. Die eisige Luft ließ sie rasch erkalten, dunkler werden, erstarren. Babu dachte kurz an die Haufen aus ineinander geknäulten Kafurdärmen, die sie zum Schlachtfest am Ufer der Merz auftürmten, damit die Kinder sie dort entwirrten und wuschen. Glänzend schwarz war der Ausfluss nun geworden, ein eigenartiges Gebilde, das wie ein Schwammpilz den Kopf des toten Wolfes überwucherte. Babu würde sich später damit befassen, später, wenn die Kopfschmerzen vorbei wären. Wenn diese Wölfe tot wären wie ihr Anführer. Babu wollte jetzt um sein Leben kämpfen,alle Gleichgültigkeit war verschwunden, hatte der Erinnerung Platz gemacht, der Erinnerung an den Thon, die ihn wie ein tief eingetretener Dorn rasend machte.
    Er sah, wie Juhut sich hinabstürzte, er hechtete durch den zerwühlten Schnee die Trichterwand hinauf, stieß sein Messer einem Wolf im selben Augenblick in die Kehle, in dem Juhuts Krallen sich in dessen Kopf schlugen. Kläffen, Knurren der anderen, Schwänze zwischen die Hinterläufe geklemmt. Juhut flog wieder auf. Babu schnitt mit dem Dolch durch die Luft. Angelegte Ohren, gebleckte Zähne, feindselige, glimmende Augen, alle auf ihn gerichtet. Ein lautes Knacken vom Grund des Trichters ließ alle Köpfe herumfahren.
    Die versteinerte Masse war aufgebrochen. Wie aus einer Quelle sprudelten Funken hervor, die nicht verloschen, sondern über den Schnee hüpften, winzig kleine Kiesel. Jetzt sammelten sie sich, formten sich zu einem Strom, tiefrot leuchtende Ameisen, die im Kreis liefen. Dann, wie auf einen geheimen Befehl, strebten sie in einer Spirale aufwärts, hoch, immer höher, bis ihr sternengleiches Funkeln vom Taghimmel überstrahlt wurde. Und endlich machten sich die restlichen Wölfe davon, mit langen Sätzen. Babu ging in die Hocke, behutsam, steckte den Dolch in den Gürtel und legte den Kopf in die Hände.
     
    Er blieb lange so. Wartete, dass der Kopfschmerz vergehen möge. Sah auf Juhut, der auf dem Kadaver des zweiten Wolfs hockte, den Schnabel am struppigen Fell abstrich und die Flügel schüttelte.
    »Hör auf.

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