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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Es ist genug.«
    Juhut verharrte, ein Auge auf Babu gerichtet. Er schwieg längst, aber das Rollen in Babus Kopf hörte nicht auf. Er schlug sich mit der Faust gegen die Stirn, mit beiden Händengegen die Schläfen, er presste sich Schnee auf die Augen. Es half nichts. Ihm wurde heiß. Ihm wurde schlecht. Er legte sich auf den Bauch, Gesicht in den Schnee, er drehte sich auf den Rücken, starrte ins grelle Licht der Sonne. Er griff nach dem Dolch, drückte sich den kalten Griff fest, noch fester, zwischen die Brauen. Keine echte Linderung, aber der rotierende Stein verlangsamte sich. Babu versuchte seinen Atem und seinen Puls zu beruhigen, sich ganz auf das Rollen zu konzentrieren, und brachte es schließlich zum Stillstand. Der Schmerz lag jetzt genau hinter der Stirn, hatte sich zusammengeklumpt auf der anderen Seite des Knochens, hinter dem Dolch, wie angezogen vom Gegendruck. Wieder wartete Babu, hockte gekrümmt über dem Dolch, die Augen geschlossen, den Mund weit geöffnet, bis er es schaffte, über den Schmerz hinwegzudenken.
    Tod dem Thon
war der erste Gedanke, klar und von schlichter Schönheit, von keinem Warum getrübt.
    Nur das Wie musste noch überlegt werden, denn seine Vision, oder was auch immer das gewesen war, hatte Babu gelehrt, dass es nicht einfach werden würde, den Thon zu überwinden. Babu hob den Kopf, versuchte den verkrampften Nacken zu lockern. Sofort begann das Rollen aufs Neue. Er stöhnte, Speichel sammelte sich in seinem Mund. Er stolperte in die Grube, sackte über dem toten Biest zusammen, richtete sich auf, saß auf dem Wolf, dem Wolfs-Thon, dem Dämon, der die wahre Gestalt des Thons war, des Mörders und Verräters. Und Babu hackte ihm mit dem Dolch in den Kopf, in den gespaltenen, überwucherten Kopf, wieder und wieder, besessen vom Schmerz und der Wut auf den Schmerz, schrie dabei, dass die Spucke flog. Und große schwarze Splitter, kaltes Glas. Er griff einen, glatt und flach und scharf, drückte ihn fest in die Haut, in die Stirn, Blut floss ihm über die Nase, er schmeckte das Salz.Er schluckte seinen Speichel, seine Tränen, sein eigenes Blut und wurde ruhiger.
    Er blieb sitzen, bis das Blut getrocknet war. Dann schnitt er einen Streifen Leder aus seinem Mantel, umwickelte den Kopf und den Splitter, der an seiner Stirn klebte.
    Babu versuchte aufzustehen. Es ging, er schwankte, aber der Kopfschmerz blieb, wo er war, hinter der Stirn, hinter dem Splitter. Wenn Babu sich zusammenriss, konnte er gleichsam unter ihm hindurchschauen.
    Er sah, wie Juhut die Schwingen ausbreitete und abhob. Er sah die Fährte, die das flüchtende Rudel hinterlassen hatte.
Der Hirte wird die Spur finden, der Jäger der Beute folgen bis zum Ende, wo der Kreis sich schließt.
    Babu trat in die Spur der Wölfe. Es ging sich viel leichter hier.

TEIL ZWEI

 
    ERSTES KAPITEL
STADT AM BERG
     
    Der Karren eines Mergers verstellte die enge Gasse. Felt drückte sich gerade an den mit Eiskrusten überzogenen Rädern vorbei, als der vermummte Mann aus der Tür des schmalen Hauses trat, das er gerade belieferte.
    »Soldat!«, rief er ihn an und hüllte sich in die Wolken seines eigenen Atems, »ich könnte hier deine Hilfe brauchen!«
    Felt trat zu ihm.
    »Oh, Herr Offizier, ich habe Euch nicht gleich erkannt.« Der Merger verbeugte sich leicht. »Ich werde anderweitig um Unterstützung bitten.«
    »Schon gut.« Felt schob den Mann beiseite und trat ein. »Was gibt es denn?«
    Der Merger drängte sich hinter ihm in die dämmrige, nur von den glühenden Kohlen im Herd erhellte Wohnstube. Eine junge Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm stand steif und schweigend im Raum, ihre tiefliegenden Augen glänzten. Sie trug noch ihr Nachtgewand und hatte ein wollenes Tuch um die Schultern gelegt.
    »Sie will den Sohn nicht wecken«, sagte der Merger. Wie zur Bestätigung ging die Frau einen Schritt zurück und versperrteso den Zugang zur Tür, hinter der die Schlafkammer war.
    »Die halbe Nacht lag er wach, so lasst ihm doch den Schlaf.«
    »Wie heißt du?«, fragte Felt.
    »Simlid«, sagte sie, »und das ist Kerla. Komm, sag dem Herrn Wachoffizier guten Morgen, Kerla.« Sie lächelte gezwungen und entblößte ein lückenhaftes Gebiss, was sie um Soldern altern ließ. Das Mädchen klammerte sich fest an den Hals der Mutter und verbarg das Gesicht in ihren Haaren.
    »Wie viele seid ihr, Simlid?«, fuhr Felt mit der Befragung fort.
    »Vier, wir sind vier. Die Kleine, ich, Lerd, unser Sohn«, antwortete sie, »und Tarled,

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