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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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so beflissen, so leise, dass die Stille im Raum dadurch noch greifbarer wurde. Die Offiziere hörten sich ein- und ausatmen und die Pulsschläge in ihren Hälsen klopfen. Keiner trank. Keiner rührte sich, nur der Hauptmann ging auf und ab. Die flackernden Feuer der Kamine zeichneten in raschem Wechsel Besorgnis, Unverständnis und Ungeduld auf sein Gesicht. Dabei war es unbewegt bis auf die tanzenden Schatten   – Felt ahnte, es waren seine eigenen Gefühle, die er im Hauptmann gespiegelt sah. Der war als ehemaliger Wachoffizier lange Felts direkter Vorgesetzter gewesen und nun schon viele Soldern nicht nur oberster Befehlshaber, sondern Oberhaupt aller Welsen. Bis zu seinem Tod würde er die Position eines Statthalters einnehmen. Dann würde der Nächste aus dem Kreis der Offiziere einen König vertreten, den es lange schon nicht mehr gab und wohl auch niemals wieder geben würde. Felt war dasgleichgültig, ihm genügte der Hauptmann. Was er befahl, dem würde Felt Folge leisten, ohne Ausnahme und ohne es zu hinterfragen. Das galt auch für heute Abend.
    Strinder riss die Tür der Lorded auf und machte Meldung, dass die Nukks bereitstünden. Mit einer knappen Kopfbewegung befehligte der Hauptmann seine Soldaten zum Abmarsch. Draußen standen eilig aufgezäumte Tiere, gehalten von Strinders Burschen. Die gehörnten, hochbeinigen Nukks verloren bereits ihr schmutziggraues, zottiges Firstenfell, ihr warmer Atem strömte aus schmalen Nüstern und malte sich in die kühle Abendluft. Es standen aber nicht nur Nukks auf dem kleinen Vorplatz der Lorded. Die halbe Stadt war zusammengelaufen, das Signal hatte die Bewohner in Aufregung versetzt. Als die Offiziere nun aufsaßen, wurden Rufe laut, in denen Angst mitschwang. Die Menschen bedrängten die Soldaten, an Abmarsch war nicht zu denken. Der Hauptmann hob sein Schwert und die Menge verstummte erwartungsvoll.
    »Macht Platz!«, rief er. »Geht zurück in eure Häuser! Die Undae haben nach uns gerufen.«
    Ein Raunen ging über den Platz, aber niemand machte Anstalten, den Befehl zu befolgen. Der Hauptmann wurde ungeduldig.
    »Macht Platz! Lasst uns durch! Geht nach Hause   – später sollt ihr alles wissen. Marsch!«
    Er trat dem Nukk die Absätze seiner schweren Stiefel in die Flanken und der Bock machte einen erschrockenen Sprung nach vorn. Die Menge teilte sich und ließ die Soldaten durch; einer nach dem anderen lenkten sie ihre Nukks durch die schmale Gasse der fragenden Gesichter zum Tor und weiter den steil abfallenden Pfad zur Grotte hinunter. Die Sonne war bereits hinter die Berge getaucht und die Wachen, die zu Fuß auf dem Pfad patrouillierten, zündeten Fackeln an, grüßten hastig und drücktensich gegen die Felsen, als die Offiziere sie passierten. Der Hauptmann gab ein scharfes Tempo vor, die Offiziere ließen die Zügel locker; in diesem Gelände war es besser, dem Reittier zu vertrauen. Nur das leise Klirren der Rüstungen und das Knirschen des Sattelzeugs waren zu hören, wenn ein Bock eine Unebenheit übersprang   – selbst der Berg schien vor Erwartung den Atem anzuhalten und Felt versuchte sich zu erinnern, wann es das letzte Mal so windstill gewesen war. Es fiel ihm nicht ein.
     
    Der Eingang zur Grotte war nicht groß, ein Mann konnte nur geduckt hineingelangen. Vor der Grotte hatten die Welsen den Fels bearbeitet: Der Boden war eben, es gab einen Unterstand für Nukks und ein kleines Wächterhäuschen   – zehn Mann bewachten den Eingang Tag und Nacht. Etwa zwanzig Schritte musste Felt wie alle anderen gebückt gehen, dann öffnete sich der Gang zu einer geräumigen Höhle. Hier legten die Männer und Rendlid ihre Waffen ab. Es war nicht gestattet, auch nur ein Messer in das Innere der Grotte zu tragen. Felt kam nicht oft hierher, er fand nie die Zeit dazu, aber jedes Mal war er aufs Neue beeindruckt von der heiligen Schönheit des Ortes und der Magie des dunklen Wassers, wenn er aus der Höhle in die große Kathedrale der Grotte trat.
    Hunderte zierliche Säulen, gewachsen aus ewig tropfendem Wasser, trugen das hohe Gewölbe, zu dem das helle Licht der Fackeln nur hier und da hinaufreichte. Der dunkle See lag unbewegt, die entfernten Ufer waren nicht auszumachen im immerwährenden Schwarz. Der Ort schien alle Farben zu verschlucken, grau das von vielen Wassern rund geschliffene steinerne Ufer, grau die in weiten Bögen sich aufschwingenden Wände des Gewölbes, grau die Säulen   – schwarz das Wasser und weiß das Licht der Fackeln. Es

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