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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Quellen sollen stillen
    der Menschen Durst nach Menschlichkeit.
    So soll es sein, so ist es nicht mehr.
    Wasser sinkt. Wasser steht. Wasser schweigt.
    Menschlichkeit versiegt, und Bitternis steigt
    auf in den Seelen, dunkel und schwer.
    Etwas geht vor. Eile!
    Drei mal drei sollen gehen
    und dreimal eine begleiten,
    das Wasser des Sees zu den Anfängen tragen.
    Das ist der Wunsch der Undae.
    Aber wisset:
    Hoffnung ist Anlass, nicht Kenntnis.
    Die Reise ist lang, der Ausgang ungewiss.«
    Wieder schwiegen sie und das Echo hallte in den Offizieren nach:
Etwas geht vor
. Aber was? Was konnte das Wasser zum Schweigen bringen, was den Strom der Ereignisse unterbrechen? Von allem, was in dieser Welt geschah, bekamen die Undae Nachricht   – früher oder später. Sie waren lebendige Archive, sie lasen das Wasser und lauschten den Erzählungen und Geschichten, die es von seinen langen, ausgedehnten Reisen durch den Kontinent mitbrachte. Der See war die Essenz all dieser Geschehnisse und so alt wie die Welt selbst. So war es doch, so war es immer gewesen.
So soll es sein, so ist es nicht mehr.
    Die Undae gaben keine Antwort auf die ungefragten Fragen der Welsen; sie zogen sich wieder zurück und eine Frau nach der anderen verschwand im Tempel, der sie aufnahm wie ein Schwamm Verschüttetes.

 
    FÜNFTES KAPITEL
DU BIST MEINE HEIMAT
     
    Felt schloss leise die Tür, um niemanden zu wecken. Er war müde und gleichzeitig saß eine Unruhe in ihm, er wollte sich ein wenig am Feuer wärmen, nachdenken und die erste Stunde erwarten. Er stocherte in der Glut, legte ein kleines Scheit auf   – der einzige Luxus, den sie sich leisteten; Estrid liebte den Harzgeruch und zog Brennholz Kohlen vor. Felt lockerte die Schnallen seines Brustschutzes. So leicht der Panzer war, er beengte ihn. Aber es lohnte nicht mehr, die Rüstung abzulegen. Seufzend ließ er sich auf der Ofenbank nieder und fuhr gleich wieder hoch: Schwarz stand Estrids Silhouette gegen das schwache Nachtlicht im Türrahmen der Schlafkammer. Sie schlug ein Buch zu und warf es aufs Bett, kam rasch und ohne jedes Geräusch zu ihm und setzte sich neben ihn auf die warmen, glatten Steine. Forschend sah sie Felt an, im flackernden Schein des Herdfeuers waren ihre Augen dunkel und hellwach. Genau wie er hatte sie in dieser Nacht nicht geschlafen. Estrid faltete die Hände im Schoß und betrachtete sie. Sie berührte ihn nicht. Dann fragte sie leise: »Was geht vor?«
    Etwas geht vor.
    »Wir wissen es nicht genau«, antwortete Felt.
    »Dann sag mir, was ihr nicht genau wisst.«
    »Es gibt eine   …«, er suchte nach Worten, »…   Störung in der Welt.«
    »Wie kann das sein? Was meinst du mit Störung?«
    »Die Hohen Frauen sagen, das Wasser würde sinken, auch das des Eldrons. Und dass der Norden Sorge bereitet und im Süden   …« Felt stockte. Estrid sah ihn an.
    »Im Süden?«
    »Im Süden brodelt irgendetwas. Was auch immer das sein mag.«
    »Ihr wisst es nicht?«
    »Nein.«
    »Und die Undae wissen es auch nicht?«, fragte Estrid ungläubig.
    »Nein.«
    Estrid stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab. Im schwachen Schein des Feuers sah sie aus wie ein wandelndes Gespenst.
    »Und ihre Stimmen?«, begann sie wieder. »Wie sind die? Felt! Nun rede doch!«
    »Ich weiß nicht, schwer zu beschreiben. Sie haben im Chor gesprochen   … es ist immer eigenartig in der Grotte, man ist wie im Traum. Ja, es war ein wenig so, als ob jemand im Traum zu dir spricht.« Oder in einem Albtraum. Aber von der Furcht, die ihn überrollt hatte, die ihn gelähmt hatte, wollte er nichts sagen.
    Estrid war kurz stehen geblieben. Felts Antwort stellte sie nicht zufrieden, aber sie hatte einen Soldaten geheiratet, keinen Dichter. Mit einem Seufzen ging sie weiter.
    »Was meinst du: Wissen sie wirklich nicht, was vorgeht   – was ich immer noch nicht glauben kann   –, oder sagen sie es uns nur nicht? Oder habt ihr einfach nicht verstanden, was sie euch gesagt haben?«
    »Wir haben genau darüber lange geredet«, sagte Felt und streckte die Hand nach Estrid aus, ihr Herumlaufen machte ihn nervös. »Und wir sind sicher, sie wissen nicht, was vorgeht. Aber sie wissen,
dass
etwas vorgeht   – weil sie sozusagen abgeschnitten sind vom Strom der Geschehnisse. So lange schon beobachten sie die Welt, sie halten Wache, so stelle ich mir das vor, und niemals haben sie eingegriffen. Selbst damals nicht, beim großen Feuer. Und nun sprechen sie. Niemand von uns kann sich an etwas

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