Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
Vom Netzwerk:
KAPITEL
EIN SCHWERT IST EIN SCHWERT
     
    Estrid hatte den kleinen Strem dick eingepackt und in einen Korb gelegt, den sie am Sattel ihres Nukks befestigte. Er schlief tief und fest, was vor allem an der großen Portion Mehlbrei lag, mit der sie ihn abgefüttert hatte   – ringsum herrschten Lärm und Trubel. Der Aufbruch des Trecks versetzte die Stadt jedes Solder aufs Neue in Aufruhr und es war einiges an Organisation nötig, Tiere, Menschen und Gepäck in den engen Gassen vor der Marded in eine Ordnung zu zwingen. Dieses Mal aber war das Chaos noch größer, denn die Botschaft der Undae und deren Konsequenz, die Reise der Neun, war das alles beherrschende Thema und eine Gereiztheit umschwirrte die Menschen. Jeder war sich bewusst, dass eine große Veränderung bevorstand. Die meisten empfanden dies als bedrohlich, denn so schwierig ihre Lebenssituation auch sein mochte, so war sie ihnen doch vertraut; das Unbekannte dagegen schreckte sie. Estrid war bemüht, sich von der allgemeinen Nervosität nicht anstecken zu lassen, aber es gelang ihr schlecht. Immer wieder überprüfte sie die Gurte des Lastnukks, das nicht nur ihr Gepäck, sondern auch Ristra trug. Mit ernstem Gesicht thronte das Mädchen auf Beuteln und Kisten, die kleine Hand fest umden Knauf ihres Blechschwerts gelegt. Ihr Großvater Borger hatte ihr das Schwert zum dritten Geburtstag geschenkt und Estrid musste es ihr seitdem jede Nacht im Schlaf abnehmen, weil das Kind nicht bereit war, auch nur eine Sekunde seines wachen Lebens ohne es zu sein. Ristra hatte nicht geweint, als Estrid ihr sagte, dass sie die Stadt verlassen würden   – vom Weggang des Vaters hatte sie vorerst geschwiegen, das sollte er seiner Tochter selbst sagen   –, sondern nur den Kopf schief gelegt und in ihrer altklugen Art versucht, die Mutter zu trösten. Estrid hatte nicht gewusst, ob sie lachen oder weinen sollte, als ihre Tochter mit herrschaftlich vorgerecktem Kinn in der Stube umherstapfte, den Hausrat inspizierte und jedes Ding daraufhin prüfte, ob es würdig sei, sie auf der Reise zu begleiten. In langen Zwiegesprächen mit Löffeln, Bechern oder Hemden fand Ristra schließlich heraus, dass alles auf seine Art wichtig war und dass man nichts zurücklassen konnte.
    Aber vieles war dann doch dort geblieben und schon heute, kaum dass sie die Stadt würden verlassen haben, sollte ihr Haus neu bezogen werden. Denn Wohnraum war knapp, die Stadt am Berg konnte sich nicht nach Belieben erweitern und Felt und Estrid hatten eines der begehrten Häuser im innersten Stadtkreis bewohnt, wo der Wind und die Kälte nicht ganz so bissig waren wie weiter draußen oder gar außerhalb der Wälle an den Hängen, wo die Ärmsten wohnten. Über drei Dus hatte Estrid für das Haus erhalten, die Münzen waren schwer in ihrem Geldbeutel. Geld spielte im täglichen Leben der Welsen keine große Rolle, aber in Pram ging nichts ohne. Die Münzen sollten die Grundlage für ihr neues Leben bilden. Wie es genau aussehen sollte, wusste Estrid nicht, nur, dass es nicht leicht werden würde, denn die Welsen waren nirgends gern gesehen. In Pram selbst unterzukommen war so gut wie unmöglich. Aber Estrids Entschluss war unumstößlich, sie hatte sichnicht auf eine Diskussion mit Felt eingelassen und er hatte seine Gesprächsversuche schnell aufgegeben, denn er fühlte sich schuldig.
    Das Signal zum Aufbruch ertönte und Estrid saß auf. Ein Bursche packte ihr Nukk beim Halfter und reihte sie ein, weit vorn. Felt war nicht zu sehen. Die drei Offiziere, Felt, Kersted und Marken, und ihre Soldaten bildeten den Schluss des Trecks. Sie waren die Eskorte der Hohen Frauen und sollten an der Grotte auf die Undae treffen. Niemand wusste genau, wie dieses Treffen ablaufen würde. Auf keinen Fall aber sollte der Treck durcheinandergebracht oder gar aufgehalten werden. Die schwer beladenen Nukks in einer Reihe über den Pass zu führen, ohne dass sie aufeinander aufliefen oder sich große Lücken bildeten, war schwierig genug, denn aneinanderbinden konnte man sie in diesem Gelände nicht. Der lange Treck wurde von nur zwanzig Soldaten begleitet, denn es war den Welsen nicht erlaubt, mehr als diese Anzahl wehrfähiger Männer über den Eldron zu bringen   – eine uralte Vorschrift, die nie geändert oder gar aufgehoben worden war; sie diente wie die Isolation und der Firstenhunger dazu, die Welsen klein zu halten. Niemals wieder sollten sie in die Lage versetzt werden, ein schlagkräftiges Heer ins Feld zu

Weitere Kostenlose Bücher