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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Schmelzer.«
    Felt blickte zu dem dritten Mann, dessen Alter unbestimmbar war. Er hatte kein Haar auf seinem vernarbten Schädel und keine Augenbrauen über den vollkommen weißen Augen, aber er lächelte und entblößte dabei sein aus wenigen schwarzen Stumpen bestehendes Gebiss.
    »Meinen ergebenen Gruß, Wachmeister. Verzeiht mir mein wenig schmeichelhaftes Äußeres, die Hitze hat mir längst die Augen gekocht, aber ich erkenne Euch gut. Keinen Zweiten umgibt eine Kühle wie Euch, Soldat.«
    Felt wusste nicht recht, wie er das zu verstehen hatte, aber während er noch überlegte, ob der Schmelzer ihn beleidigt hatte, ergriff Remled das Wort.
    »Dems ganzes Wissen ist in diesem Stahl.« Er hielt einSchwert in beiden Händen. »Und das meines Vaters und, mit Verlaub, ich habe auch das Meine dazugetan.«
    Blauschwarz hatte die lange Klinge im schwachen Licht des Kohlebeckens geglänzt. Sie war etwas breiter als bei einem gewöhnlichen Welsenschwert und auch nicht vollkommen gerade, sondern verjüngte sich leicht vom Heft aus, um dann zur Spitze hin wieder breiter zu werden. Sie war beidseitig geschliffen, schon im Ansehen offenbarte sich eine mörderische Schärfe. In die Mitte der Klinge hatten die Schmiede eine Kehlung getrieben, um das Gewicht zu verringern. Die Parierstange war gerade, in den achteckigen Stahl waren Rillen gefeilt, die Montierung war aufwändig: ein Silberknauf und Einlagen aus einem dunklen Edelholz, das Felt nicht kannte. Das Auffälligste aber waren die fein gravierten Verzierungen der Klinge. Schriftzeichen schimmerten blau in Schwarz. Die Welsen stellten für gewöhnlich keine Schmuckwaffen her, ihre Schwerter, Dolche, Axtblätter, Speer- oder Pfeilspitzen waren schlicht und zweckmäßig. Es waren Mordwerkzeuge, effektive Waffen zum Kämpfen, nicht zum Umherzeigen.
    »Nun«, sagte Remled und legte das Schwert behutsam auf einen niedrigen Steintisch, »dies ist ein Schwert, das einen Namen verdient. Was meinst du, Felt, wie soll dein Schwert heißen?«
    Felt schwieg; auch das war unüblich und eine überkommene Tradition. Seit König Farstens Untergang gab niemand mehr seinem Schwert einen Namen, denn das hatte nur Sinn, wenn ein Schwert im Kampf erprobt und vom Vater auf den Sohn vererbt wurde. Um einen Namen zu verdienen, musste ein Schwert eine Geschichte haben. Heutzutage wurde eine Waffe eingeschmolzen, falls sie so beschädigt war, dass eine Reparatur nicht lohnte, und der Soldat bekam eine neue. Die Männer schauten erwartungsvoll auf Felt.
    »Anda«, sagte er ohne langes Nachdenken und wunderte sich über sich selbst.
    »Vortrefflich«, rief Marken. »Anda, einen besseren Namen hätte ich mir nicht denken können!«
    Anda
bezeichnete alles, was in der Zeit vor der großen Feuerschlacht gewesen war, und das Wort wurde für alles Mögliche verwandt. Etwas konnte schmecken wie
anda,
wenn es besonders gut war; ein Mann konnte sich verhalten wie
anda
, wenn er besonders stolz und würdig auftrat; sogar auf die Frage ›Wie geht’s?‹ konnte man mit
anda
antworten.
    »So sei es also«, sagte Borger und machte eine Geste, die Felt aufforderte, das Schwert zu nehmen. Als Felt danach griff, packte der alte Schmied seine Hand und ritzte ihm mit seinem scharfkantigen Ring die Handfläche. Felt versuchte die Hand zurückzuziehen, aber Borger hielt ihn mit eisernem Griff fest. In seinem Gesicht stand Zufriedenheit. Blut tropfte auf die Klinge, Zorn wallte auf in Felt, er begriff: Er sollte dem Schwert gegenüber nicht gleichgültig sein, er sollte es mit Blut und Zorn in Empfang nehmen, so hatten sie es geplant. Und er wurde noch wütender, er konnte es nicht verhindern. Mit aller Kraft riss er sich los und stieß den Schmied von sich. Dann griff er nach dem Schwert und schwang es hoch, er würde dem Alten den Kopf abschlagen, ihnen allen, die ihn in dieses lächerliche Ritual, dieses altertümliche Theater, verwickelt hatten.
    Das Schwert sang, als Felt es durch die Luft zog. Der mit Silberschnur umwickelte Griff war kühl in seiner verletzten Hand. Anda war leicht, wie die Verlängerung seiner selbst wuchs es in seine Faust hinein und gleichzeitig aus ihr heraus. Etwas Vergleichbares hatte er nie zuvor erlebt, dabei hatte er schon ein Schwert in der Hand gehalten, bevor er richtig laufen konnte; ein anderes Spielzeug hatte er nie besessen. Seine Wut verrauchte augenblicklich, wurde gelöscht von Verwunderung. Sostand Felt bewegungslos in der Mitte der großen Schmiede, das Schwert hoch

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