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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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einem Krieg, der gewaltig sein musste und in dessen Sog diese vielen Menschen hier geraten waren. Sie alle wurden in die Hauptstadt, wurden nach Jirdh gerufen? Welcher Feind war so mächtig, dass man ein ganzes Volk vor ihm in Sicherheit bringen musste? Das Geschrei setzte einen Wimpernschlag lang aus, so kam es Marken vor, und ein großer Schatten fiel auf die sich drängenden Leiber. Als habe der Tod seine Schwingen ausgebreitet und sei wie ein Nachtvogel lautlos über sie hinweggestrichen. Es hatte schon ein Mal einen solch mächtigen Feind gegeben und es war schon ein Mal ein ganzes Volk ausgelöscht worden: Damals, vor über hundert Soldern waren es die Welsen gewesen, die in der Feuerschlacht fast vollkommen vernichtet worden waren.Sie waren verbrannt, das Land war verbrannt, in einer einzigen Nacht. Marken schwitzte, aber innerlich wurde ihm kalt.
    Der Hof, in den sie schließlich geführt wurden, sperrte das Geschrei der Straße aus. Hier war es still. In der Mitte des Gevierts saß mit gekreuzten Beinen ein Mann auf einem großen, bunten Teppich, den man einfach auf den rissigen Lehmboden gelegt hatte. Er aß. Als er kurz aufschaute, sah Marken über einem Auge des Mannes etwas aufblitzen und er musste an Mendron denken, an die erste Audienz beim Fürsten von Pram. Damals hatte ihn das Aufblitzen des goldenen Fürstenrings zum Stehen gebracht   – und auch jetzt hielt er inne. Der Mann aß seelenruhig weiter, formte mit den Fingern einen körnigen Brei zu Kugeln und kaute ausgiebig. Er sagte kein Wort und auch sonst hielten alle den Mund: die drei kwothischen Soldaten der Patrouille, die Pramer, Strommed. Sogar Smirn war wieder in ihre Schweigsamkeit gesunken. Was hatte sie gesagt? Wenn es wieder still wird, sollten wir jedoch auf der Hut sein.
9
    »Er sagt, wir seien zur Unzeit ins Land der Kwother gekommen, denn die Gastfreundschaft müsse sich zurückziehen, wenn Männer die Äxte erheben.«
    Smirn übersetzte das heisere Kwothisch des Mannes, der seine Mahlzeit endlich beendet hatte. »Hauptmann Ormn bedauert das.«
    Dass er einer Unda gegenüberstand, noch dazu einer, die ganz offensichtlich seinem Volk zugehörig war, schien den Hauptmann nicht zu beeindrucken. Wusste er denn nichts von den Hohen Frauen? Er sah Smirn nicht einmal an, sondern sprach nur zu Marken. Smirn hingegen ließ Ormn nicht aus den Augen.
    Hauptmann Ormn war nicht jung, Marken schätzte ihn auf sechzig Soldern. Er war gut einen Kopf kleiner als der Welsenoffizier, aber stämmig, und Marken sah harte Muskelstränge unter der dunklen Haut des Unterarms arbeiten, als Ormn sich die Finger ableckte. Das Auffälligste in seinem beinahe schwarzen Gesicht waren aber nicht der für die Kwother offenbar typische geflochtene Bart oder die großen, goldglänzenden Augen, sondern der Petten darüber: Die gelochte Silbermünze war über der linken Augenbraue angenäht und blinkte bei jeder Bewegung.
    Er sprach weiter, rasend schnell, aber längst nicht so hitzig und laut wie seine Soldaten, und Smirn übersetzte.
    »Dass wir Kwother im Land der Welsen waren, ist lange her, aber unvergessen. Damals waren wir nicht willkommen, wahrlich nicht! Nun kommen Welsen nach Kwothien, und auch wenn es nur zwei sind, sind sie hoch willkommen: Euer Ruhm ist nicht verblasst, nicht hier. Wir Kwother werden uns an die Welsen immer erinnern; unauslöschlich seid ihr in unser Gedächtnis eingebrannt. Was war das für eine Schlacht! Selbst als sie lichterloh in Flammen standen, haben die Welsen noch ihre Schwerter geschwungen. Glaubt mir: Ein welsischer Offizier ist mir mehr wert als fünfzig kwothische Soldaten.«
    Er unterbrach sich kurz, musterte die Männer der Patrouille mit gnadenloser Geringschätzigkeit. Der Zorn in ihren Augen fraß Marken förmlich auf. Aber sie sagten keinen Ton.
    »Kämpft an meiner Seite, Welse, und gebt Eurem Volk seine Ehre zurück.« Ormn machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber schickt die Pramer nach Hause. Sie sind zu nichts nütze. Das einzige Metall, das einem Pramer an der Hand kleben bleibt, ist das Münzgold. Mit scharfem Stahl kann er nicht umgehen.«
    Dieser Mann verteilte eine Menge Beleidigungen, aber Marken sah die Warnung in Smirns Blick. Und Ormn hatte nichtunrecht: Die pramschen Soldaten entsprachen auch Markens Ansprüchen nicht. Dennoch. Fast vier Zehnen waren sie nun mit ihm marschiert, ohne zu murren hatten sie sich Markens Befehl unterstellt und auch jetzt bewahrten sie Haltung   – ebenso wie Marken

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