Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
Vom Netzwerk:
Erkenntnis, dass ein Krieg dieses Land veröden ließ, war nur äußerlich. Sie war wie ein dünner Mantel, der sich über alle anderen Empfindungen legte. Immer noch hatte er das Gefühl, dieser Mission nicht ganz gewachsen zu sein. Und immer noch war die Frage nach dem Warum, nach dem Grund für einen Krieg nicht beantwortet. Smirn war jedoch in ein so tiefes Schweigen verfallen, dass jede Ansprache wie der hallende Ruf in einen bodenlosen Abgrund war. Waren es am Ende versiegende Quellen, die all das bewirkten? Kamen sie zu spät? Dieser elend lange Fußmarsch setzte Marken zu   – die Pramer aber hatte er nahezu zermürbt. Die Soldaten waren zu den hohläugigen Gespenstern geworden, als die Marken sie im nächtlichen Hal gesehen hatte. Nur waren sie nicht blass, sondern wie er von der Sonne verbrannt. Aber was machte das schon, sie mussten weitergehen. Immer weiter, nach Westen. Nach Gem-Enedh und dann nach Jirdh und in die Berge nordöstlich der Hauptstadt. Sie mussten zu den Quellen gehen, zu Globa und Naryn, das war das Wesentliche . Marken gelang es, alle Empfindungen, Gedanken und unbeantwortete Fragen unter den Mantel der Ruhe zu stecken und nur das, was wesentlich war, nackt und klar vor sich herzutragen: Sie mussten das Wasser des Sees zu den Quellen bringen. Er musste die Unda schützen, ihr den Weg bereiten. Nichts sonst war von Belang. Und er wollte endlich ans Ziel gelangen, die Mission erfüllen. So voller Ungeduld schritt Marken aus, dass selbst Strommed Mühe hatte mitzuhalten. Als sie die Reiter sahen, lagen die Pramer deshalb weit zurück und es waren nur die beiden Welsen, die sich mit blanker Klinge vor die Unda stellten.
    Drei gedrungene Männer kamen ihnen entgegengeritten, schwer gerüstete Kämpfer mit feindseligem Blick, offensichtlich eine Patrouille. Schuppenartig sich überlappende Lederplatten schützten die Schultern und Schenkel der Männer, Brustpanzer und Helme waren aus Welsenstahl. Markens Herz pumpte mit einem Mal eiskaltes Blut durch ihn hindurch, er war hellwach, sah alles auf einmal und begriff schnell. Zuerst: Die Kwother waren überrascht, aber deshalb nicht weniger gefährlich. Dann: Smirn war Kwotherin   – wenigstens war sie es einmal gewesen. Die Haut dieser Männer war dunkel wie ihre. Alle drei hatten goldglänzende Augen und trugen kunstvoll geflochtene, tiefschwarze Bärte. Schließlich: Die Äxte auf den Rücken der Reiter stammten aus den Schmieden am Berg. Es waren Welsenäxte, gegen die Marken sein Schwert erheben musste.
    Vielleicht war es sein seltsam kaltes Blut, welches bewirkte, dass Marken nun wie ein Beobachter neben sich trat und auf die Szene schaute. Er sah sich mit drohend erhobenem Schwert auf der staubigen Straße stehen, Strommed neben sich und Smirn hinter ihren breiten Schultern den Blicken der drei Reiter verborgen. Ihm wurde bewusst, was Kampf bedeutete, was Krieg war und dass er getötet werden konnte. Und wenn er fallen würde, dann durch eine Waffe, die ein Welse geschmiedet hatte. Die ganze Fragwürdigkeit seiner Arbeit stand Marken mit einem Mal vor Augen. Solder um Solder hatte er dafür gesorgt, dass die besten Waffen des Kontinents nach Pram geliefert wurden. Warum? Damit die Welsen überlebten. Aber letztendlich hatte er nur den Tod gebracht. Hier herrschte Krieg, hier kamen die Waffen zum Einsatz. Und Pram, Kandor aus Pram, hatte sich bereichert   – wie viel mochte der Waffenhändler den Kwothern für diese Äxte abgeknöpft haben? Das Doppelte oder gar Dreifache, das er den Welsen bezahlte? Dieser kaufmännische Gedanke ließ Marken wider Willen schmunzeln. Und dann laut loslachen. Das Lachen brach aus ihm heraus wie ein wildes Tier, das eine halbe Ewigkeit auf Beute gelauert hatte und sich nun verzweifelt auf das stürzte, was zufällig vorbeikam   – auch wenn es ein anderes Raubtier war.
    Die Kwother konnten dieses Lachen nicht verstehen. Für sie war es bereits ein Angriff. Sie fassten sich auf die Rücken, zogen die Äxte. Marken nahm den Schwertgriff mit beiden Händen. Tränen liefen ihm über die Wangen in den Bart. Er lachte immer noch, er brüllte vor Lachen und er hatte keine Ahnung, wie irrsinnig und zugleich bedrohlich das wirkte. Ein Kwother rief den anderen etwas zu, es klang wie ein heiseres Bellen.
    Aber bevor die Männer sich tatsächlich wie wilde Tiere aufeinander stürzen konnten und sich die Köpfe abschlugen, trat Smirn vor.
    Ohne Vorwarnung und wie eine Gerölllawine überschütteten ihre Worte die

Weitere Kostenlose Bücher