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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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damit gemacht zu schweigen   – fast alle Frauen deuteten ohnehin, ein Schweigen ebenso wie Gesagtes.
    »Sie hat ihn geliebt und er hat sie nur benutzt. Daran ist sie zerbrochen. Es heißt, Asing sei in den Himmel gefallen. Und dort steht sie nun, als Sternbild. Diese Geschichte hat mich schon als kleines Mädchen fasziniert. Deshalb bin ich Astronomin geworden, wegen ihr. Wegen Asing.«
    Jetzt schaute sie ihm ins Gesicht   – mit unwirklich funkelnden Augen. Tränen, dachte Kersted, und: Halt ja deinen Mund.
    »Man hat mir erzählt   – mir und jedem kleinen segurischen Mädchen   –, dass Asing über uns wacht. Sie wacht über die Liebenden. Und ganz besonders über die unglücklich Liebenden, an sie kann man sich wenden, wenn einen nachts der Kummer quält. Schau, kleine Nen, dort oben steht Asing und nimmt all dein Leid. Dir wird’s bald besser gehen, kleine Nen … Alles Lüge!«
    Sie zeigte in den Himmel, sah aber weiter Kersted an.
    »Dummer, romantischer Unsinn, nichts weiter. Asing, die größte Adeptin, die diese Welt je gesehen hat, die studiert hat wie keine vor ihr, die begabt war wie keine nach ihr, die geliebt und gelitten hat, unvorstellbar geliebt und gelitten   – Asing, die ganz Welsien niedergebrannt hat, soll zwischen den Sternen sitzen und gütig auf uns herabblicken?«
    Nun brachte Kersted wirklich kein Wort mehr heraus. Nendsing war immer lauter geworden, immer wütender. Sie schnappte nach Luft, versuchte sich zu fassen. Der Ton in Kersteds Ohren war ein hässliches Pfeifen.
    »Kersted«, begann sie wieder, ihre Stimme war rau, »ich kann dir Asings Bild am Himmel zeigen, im Lendern steht es hoch am Firmament. Es eignet sich wunderbar, um einen Jungen zu verführen … oder einen Mann.« Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Mit ein wenig Fantasie und etwas gutem Zureden kann man leicht ein brennendes Herz am Nachthimmel aufglühen sehen   – besser geht es kaum, nicht wahr?«
    »Kaum«, sagte Kersted heiser. Er drückte einen Finger aufs Ohr. Aber das half nicht gegen das Pfeifen. Er ließ den Arm sinken, sie griff danach. Nendsings Hand war heiß und schweißfeucht.
    »Er hat recht. Fander hat recht. Ich weiß nicht, wie er darauf gekommen ist, und ich weiß nicht, wie ich es erklären soll …«
    Nendsing ließ ihn wieder los. Worauf um alles in der Welt wollte sie hinaus? Asing, die ganz Welsien niedergebrannt hat? Das war eine Legende, Felt hatte davon erzählt, in Pram. Kersted kramte in seinem Gedächtnis. Aber das Beben, die Kluft, der Tod der Pramer und dieses leere, zerrissene Land, durch das sie zogen, beschäftigte ihn so sehr, dass alles Vorherige sehr weit weggerückt war. Nendsing hingegen schien ihre Gedanken sortiert zu haben. Sie sprach weiter, leise und hoch konzentriert.
    »Ich habe gehört, was Fander heute gesagt hat. Es ist die sehr einfache Antwort auf eine Frage, die uns Seguren seit Langem beschäftigt: Wo ist Asing? Sie an den Himmel zu hängen hat mir immer sehr gefallen   – nicht nur, weil es romantisch ist. Sondern auch, weil das mein Gebiet ist. Du musst nicht glauben, Kersted, dass wir Seguren uns immer einig sind, bloß weil wir alle forschen, lesen, beobachten oder Probleme lösen wollen. Nein, ganz und gar nicht. Und erst recht nicht in Pram … diese Stadt verdirbt einen   – ich bin dort geboren!« Sie lachte kurz auf, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich habe gearbeitet, habe in den Nachthimmel gestarrt, bis mir die Augen brannten, und dann habe ich Karten gezeichnet, bis ich glaubte, blind zu werden. Ich wollte Asing haben, verstehst du? Ich wollte sie da oben haben, dort, wo ich mich auskenne. Und ich wollte selbst ganz nach oben.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte Kersted.
    »Schau, ich bin eine Gelehrte   – grins nicht, hör mir zu! Ich mühe mich hier ab, versuche, etwas zu erklären in diesem schrecklichen, primitiven Welsisch, ich … Ich will etwas gestehen.«
    Sie knetete ihre Hände, bemerkte, dass sie feucht waren, und wischte sie an ihrem Gewand ab. Eine kleine, kindliche Geste, die in Kersted den Wunsch weckte, Nendsing zu berühren, zu umarmen. Zu küssen.
    »Ich höre«, sagte er stattdessen.
    »Vielleicht bin ich auch keine Gelehrte«, begann sie zögerlich, »denn ich habe gelogen. Gefälscht. Erinnerst du dich anden Schweifstern, von dem ich dir erzählt habe? Auf dem Turm der Hama, in Pram?«
    »Ja. Es war fantastisch dort oben und ich konnte ehrlich gesagt mein Glück kaum fassen   – ich durfte

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