Zwölf Wasser
glühende Tiefe gezogen hätte. Kersted schob das Unerklärbare beiseite – die Größe, die Bösartigkeit, das unfassbare Wesen dieses Dämons – und übrig blieb ein Gegner. Ein Feind, der einen Namen hatte: Asing. In ihm erwachte Kampfeslust. Er konnte nicht mehr still stehen; am liebsten wäre er aufs Pferd gesprungen und sofort losgeritten.
»Kersted.«
Utates Augen waren wieder leuchtend hell und ihre kühle Hand auf seinem Arm dämpfte seinen Übermut. Wohin wollte er denn reiten und mit wem?
» Drei mal drei sollen gehen «, Kersted sagte es auf wie einen Kinderreim, » und dreimal eine begleiten, die Quellen aufzusuchen. «
Die Unda nickte, dann breitete sie kurz die Arme aus in einer Geste, die Kersted die kleine Reisegruppe darbot. Ja, das waren sie nun wohl, die drei Begleiter der einen. Das war sie, die eigentümliche Eskorte der Hohen Frau: Ein Soldat, eine zierliche Segurin und ein dürrer Koch – Fander, Nendsing und Glaron. Und er selbst, Kersted.
Aber das waren vier. Nicht drei.
8
»Du hast es nicht erzählt.«
»Was hätte ich denn erzählen sollen?«
Kersted führte sein Pferd am Zügel, obenauf saß Nendsing. Glaron war so weit genesen, dass er laufen konnte. Er war erstaunlich flink und ausdauernd. Während sie langsam, aber stetig westwärts zogen, legte der Koch beinahe die doppelte Strecke zurück: Er lief im Zickzack nebenher durch die zerklüftete Steppe, nahm Büsche und Sträucher in Augenschein, sammelte Kräuter oder rupfte Pflanzen aus, um an die Wurzeln zu gelangen. Ihre Vorräte schwanden. Und weit und breit kein Wild, das sie jagen konnten. Ab und an zitterte die Erde immer noch; es war das Murmeln eines unruhigen Schläfers. Eines unruhigen Dämons, verbesserte sich Kersted in Gedanken.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
»Was?« Kersted hob den Kopf, Nendsing verdrehte die Augen.
»Ich sagte«, sie sprach betont langsam, »dass du nichts von dem Stern erzählt hast. Von meiner Lüge.«
»Wieso hätte ich das tun sollen? Wenn er sowieso nicht kommt, dann muss ich es auch nicht erwähnen.«
Ein kleines, dankbares Lächeln erhellte ihr Gesicht – undschoss durch Kersted hindurch. Die junge Segurin hatte ihm von Anfang an gefallen, schon als sie nur dastand in ihrem farblosen Gewand, neben der Älteren, bei der ersten Audienz. Kersted konnte sich an kein Wort von Marken oder dem Fürsten erinnern, er hatte nur Nendsing gesehen und das Licht der roten Flammen, das über ihre zarte Gestalt huschte. Seit Zehnen nun war er mit dieser Frau unterwegs und sie gefiel ihm immer mehr, doch er kam nicht so recht weiter. Er hatte zwar zu Anfang nicht gewusst, dass sie es war. Aber nun wusste er es. Und dennoch wagte er nicht den ersten Schritt.
»Sie weiß es sowieso«, sagte Nendsing. Kersteds Herz machte einen Doppelschlag. Wer wusste was? Mit dem Kinn wies Nendsing auf die in Begleitung von Fander ein gutes Stück vorausreitende Unda.
»Sie weiß, dass ich mir etwas habe zuschulden kommen lassen. Dass ich deswegen aus Pram weggelaufen bin.«
Das war also der Grund, warum Nendsing sich in den Trupp geschmuggelt hatte. Das und nichts anderes. Kersted hatte mit einem Mal keine Lust mehr, neben diesem Pferd herzugehen. Er gab Nendsing die Zügel in die Hand. Sie nahm sie, irritiert.
»Die Unda weiß alles«, sagte er.
»Ach ja? Wirklich alles? Sie mag wissen, was mich umtreibt, weil sie erfahren, weil sie alt genug ist, um in den Menschen lesen zu können. Aber dass Asing im Feuer ist – das wusste sie nicht.«
»Bloß weil sie nicht darüber spricht, heißt das nicht, dass sie es nicht wusste.«
Kersted verzichtete wieder darauf, den Stern zu erwähnen, obwohl das ein passender Beweis für seine Behauptung gewesen wäre. Nendsing zuckte die Schultern. Immer noch den Blick auf den schmalen, geraden Rücken Utates gerichtet, sagte sie: »Ich bleibe dabei, sie wusste es nicht. Was im Feuer ist, das ist den Undae verborgen.«
»Selbst wenn es so wäre«, versuchte Kersted einzulenken, »was spielte es für eine Rolle? Ich habe es selbst fast vergessen, aber uns geht das Wasser an, nicht das Feuer und auch sonst nichts. Wir müssen zu den Quellen, und zwar zügig.«
»Oh, natürlich! Ich bitte um Verzeihung! Auch ich hatte wohl vergessen, mit wem ich es hier zu tun habe. Nicht etwa mit einem Mann, der sich für die Gründe interessiert, für Zusammenhänge. Sondern mit einem, der am Rockzipfel einer Unda hängt. Der ihr überallhin folgt. Den nichts anderes
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