Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Schröder
Vom Netzwerk:
meiner Jacke bis zum Kinn und lief mit hochgezogenen Schultern.
     
    Copiapó war eine leuchtende Stadt, blühend und klar. Der Rio versorgte das Tal mit genügend Wasser, um es in frisches Grün zu tauchen und den Winzern eine ertragreiche Ernte in Aussicht zu stellen.
    Während wir durch die Straßen und über die Märkte schlenderten, entspannten sich meine Schultern allmählich. Ich versuchte, gelassen wie Robert zu sein.
    Ein Hund folgte uns.
    Merce unternahm mehrfach den Anlauf, ihn mit seinem Stock zu vertreiben, aber das Tier blieb uns hartnäckig auf der Spur, was wohl auch daran lag, dass ich mich hin und wieder nach ihm umdrehte.
     
    Tiere sind mir immer lieb gewesen. Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass streunende Menschen und streunende Tiere zielstrebig auf mich zusteuern. Irgendetwas an mir scheint zu signalisieren, dass ich ein Zuhause bieten kann. Auch wenn ich es besser weiß, berührt mich dieses Zutrauen.
    Dass Merce die Anwesenheit des Hundes abwehrte, legte ich ihm als ein Zeichen von Eifersucht aus. Er schien sich wiederzuerkennen, wie er ungepflegt und struppig mit mir lief und darauf hoffte, irgendwo anzukommen.
    Inzwischen halte ich für denkbar, dass es sich umgekehrt verhielt. Dass ich es war, die struppig mit ihm lief und hoffte, irgendwo anzukommen.
     
    Auf dem Unicampus lotste Merce mich in einen Copyshop, in dessen zweitem Stock einige Internetplätze eingerichtet waren.
    Bevor ich die schmale Treppe nach oben stieg, fragte ich ihn, was er in der Zwischenzeit tun wolle.
    »Ach, ich …«, er kratzte sich mit dem Knauf seiner Krücke am Arm und legte seine Matratzenrolle auf einen der Tische, »ich hab hier auch was zu erledigen.«
    »Gut«, antwortete ich. »Dann bis später.«
    Irgendwie ahnte ich schon, dass etwas im Busch war, aber ich schob meine Bedenken beiseite, setzte mich an den mir zugewiesenen Platz und loggte mich ein.
     
    Aaron hatte nicht geschrieben. Der Faden zwischen uns wurde dünner. Ich gab ihm nur ein unbeholfenes Lebenszeichen.
    Zwischen schnell zu beantwortenden Fragen meiner Kolleginnen, zahlreichen Spams und Newslettern fand ich eine Nachricht von Robert. Sie war erst einen Tag alt. Er schrieb:
    »Inzwischen bin ich wieder in Bogotá. Ich dachte ohnehin ständig an meine Arbeit, und ohne dich wars plötzlich langweilig, nur so herumzulaufen.
    Nachdem du abgereist warst, habe ich noch einen Tag mit Rosa und Javier auf dem Weingut seines Vaters verbracht. Am nächsten Tag fuhr mich Javier zum Flughafen. Beim Abschied sagte er, wir beide seien im Haus seiner Tante und auf dem Gut seines Vaters immer willkommen. Kein schlechtes Pfand.
    Im Augenblick sitze ich in der Bibliothek des Anthropologischen Instituts und warte auf einen Kollegen, der mit mir zu unserer Grabungsstätte fahren wird. Matías. Fanny und ich haben ihn letztes Jahr auf einem Kongress in Bonn kennengelernt. Ein wirklich netter Kerl. Er ist Spezialist für Chibcha-Sprachen (was für unser Projekt wichtig ist). Und er liebt Heavy Metal.
    Hör mal: Tu mir den Gefallen und pass in der Wüste auf dich auf, ja?
    Such dir jemanden, der sich wirklich dort auskennt.
    Und schreib mal.
    Du fehlst mir.
    Robert«
     
    Ich antwortete mit einem launigen Bericht über die Ereignisse der letzten Tage, erwähnte Merce jedoch nur beiläufig. Meine Nachricht versprühte einen Optimismus, den ich selbst nicht empfand. Kurz bevor ich sie abschicken konnte, hörte ich einen Schrei.
    Ich verließ meinen Platz, lief zur Treppe und sah nach unten: Merce stand eingekeilt zwischen zwei Carabineros.
     
    Ich begriff nur langsam, worum es ging: Merce hatte unseren Besuch im Copyshop genutzt, um einen Invalidenausweis für sich zu fälschen.
    Der Shopinhaber hatte ihn dabei beobachtet, wie er aus einem Ausweis das Foto eines anderen Mannes herauslöste und durch ein eigenes Passbild ersetzte. Als zwei Polizisten den Laden passierten, holte der Inhaber sie kurzerhand dazu. Nun stand er aufgeregt vor ihnen und pumpte seine Brust auf wie jemand, der beflissen eine Bürgerpflicht erfüllt.
    Die beiden Polizisten blieben ruhig. Einer von ihnen wies Merce an, sich an den Tisch zu setzen und seine Papiere vorzulegen. Bereitwillig lehnte er seine Krücke gegen die Tischkante und ließ sich, nur mühevoll ein Stöhnen unterdrückend, auf den Stuhl fallen. Seine Vorstellung war beeindruckend. Auch sein Ausweis schien glaubwürdig. Er hatte ganze Arbeit geleistet.
    Jetzt war es an mir, der Inszenierung zu einem würdigen

Weitere Kostenlose Bücher