Zwölfender
beim Wagen, während ich mich nach einem freien Zimmer erkundigte.
»Geht klar«, sagte ich im Hinauskommen.
Am offenen Kofferraum stehend, dividierten wir unsere Sachen. Ich freute mich, nun wieder mit leichtem Gepäck reisen zu können.
Während ich den Beutel mit meiner Wäsche aus dem Rucksack in die Reisetasche verfrachtete, sagte Nik: »Nimms mir nicht übel, aber dein Anzug könnte eine Reinigung verkraften.«
»So? Findest du?«, fragte ich. Nik und ich lachten.
Laura kramte in einer Tasche unter ihrem Sitz und übergab mir eine Tube Wundsalbe. »Mit schönen Grüßen an Fred.«
Unser kleines Stimmungstief war verflogen.
Ich dankte den beiden und bezahlte sie.
»Warte noch kurz!«, befahl Nik und holte seine Kamera aus dem Wagen.
Sie nahmen mich in ihre Mitte, Arme wurden um Schultern gelegt, Nik streckte seine Kamerahand nach vorn und drückte auf den Auslöser.
Ich sah mich schon mit anderen Reisenden in einer Fotocollage.
Mein Zimmer war groß, komfortabel, sauber und klimatisiert.
Vom Balkon aus hatte ich freie Sicht auf den Pazifik.
An der Rezeption hatte man mich freundlich empfangen. Dass mein Äußeres womöglich leise Zweifel an meiner Zahlungsfähigkeit weckte, ließen sich weder die Concierge noch der Mann, der mich zu meinem Zimmer führte, anmerken.
Eine Weile lag ich ausgestreckt auf dem Bett.
Es war bereits spät am Nachmittag, also raffte ich mich wieder auf, wusch mir das Gesicht und verließ das Hotel, um mir etwas Neues zum Anziehen zu kaufen.
An der Küstenstraße, nur wenige hundert Meter von meiner Unterkunft entfernt, lag eine Shoppingmall. In einer Boutique kaufte ich eine leichte dunkelblaue Hose, ein Paar hellgraue Wildledersandalen, zwei t -Shirts (beige und hellgrau) und ein schlicht geschnittenes rotes Kleid aus Seidenjersey. Erst in der Umkleidekabine verstand ich, warum mir die Verkäuferin zu einer kleineren Größe geraten hatte. Ich war abgemagert.
Hinzu kam, dass mir die Haare in spröden Wellen vom Kopf abstanden.
»Catweazle«, sagte ich zu meinem Gegenüber.
Es lächelte.
In der Mall fand ich auch einen Friseur.
Im Spiegel sah ich einen weiteren Spiegel an der rückwärtigen Wand, darin die Spiegelung meines Spiegels und so fort. Geradeaus in den langen Korridor hinter mir starrend, in dem ich als zigfach gespiegelter Hinterkopf Schlange stand, ging ich alle mir bekannten Schriftsteller und Maler durch, die dieses Phänomen schon irgendwie verhandelt hatten.
Die Friseuse und ich wechselten nur wenige Worte. Sie tat, was zu tun war, erledigte es schnell und geschickt – und entließ mich ohne Widerspruch mit ungeföhnten Haaren.
Im Hotel ließ ich mir ein Bad ein. Mehrfach tauchte ich mit dem Kopf unter Wasser und blieb, so lange es ging, unter der Oberfläche.
»Was oder wohin treibst du?«, hatte Aaron mich einmal gefragt, als er mich so in seiner Badewanne fand.
»Nirgendwohin. Ich horche.«
»Und was hörst du?«
»Ich höre die Leitungen im Haus, ich höre deine Schritte, ich höre, wie mein Blut pulsiert. Alles ist gleichzeitig nah und weit weg.«
Aaron. Er fehlte mir. Ich nahm mir vor, ihn später anzurufen.
Wenn ich ihn zu Hause an seinem Schreibtisch sitzen sah, über ein Buch oder über eine technische Zeichnung gebeugt, dann fand ich seine Konzentriertheit manchmal so anziehend, dass wir wenig später im Bett landeten. Wenn er von seiner Arbeit für das Trainingszentrum erzählte, von den Piloten, die im Flugsimulator ihre Stunden absolvierten, oder von Reibereien im Technikerteam, dann wusste ich, dass wir die Gesten der anderen ähnlich lasen. Ich bewunderte ihn für seine Besonnenheit und dafür, dass er niemals ein vorschnelles Urteil fällte. Und dennoch blieb zwischen uns immer ein unüberwindbarer Abstand. Eine Fremdheit, die mitunter in Befremden umschlug und uns wortlos, schulterzuckend, voreinander stehen ließ.
Dieses Befremden machte sich nie in lauten Streitereien Luft, sondern ausschließlich in kleinen Demonstrationen: Darin, dass ich mich in Straßenkleidern aufs Bett legte, obwohl ich wusste, dass er das nicht ausstehen konnte. Es zeigte sich seinerseits im betont beiläufigen Schließen der von mir offengelassenen Schubladen und Schranktüren, und meinerseits in der Weigerung, mir ein Portemonnaie zuzulegen, anstatt mein Geld zusammengeknüllt in den Hosentaschen mitzuführen oder es lose verstreut in der Wohnung herumliegen zu lassen. Die Beharrlichkeit, mit der Aaron
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