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Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Schröder
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weh, und der Gurt hat deine Hüfte aufgescheuert.«
    »Ach was«, setzte ich meine Nummer fort. »Aber nur so interessehalber: Habt ihr zufällig Wundsalbe? – Nicht für mich. Für einen Freund von mir.«
    Beide lachten.
     
    »In der Wüste hatten wir mal einen dabei«, begann Nik zu erzählen, »der hieß Fred.« Laura stöhnte: »Fred, oh ja. Fred aus Solingen.«
    »Schon zur Vorbesprechung kam er im Safari-Outfit. Er hat sich alle Mühe gegeben, wie Hemingway auszusehen. Er prahlte unentwegt damit, was für ein toller Hecht er sei und was er schon alles gesehen habe. Unsere Tour sah auch eine Fahrt zum Llullaillaco vor, einem fast 7 000 Meter hohen Vulkan etwas weiter im Westen.
    Wir unternahmen nur eine kleine Wanderung, aber schon auf den ersten Metern stellte sich heraus, dass Fred eine Mordshöhenangst hatte. Er wurde mit jedem Schritt nach oben kleinlauter. Wenn wir ihn fragten, ob alles in Ordnung sei, pfiff er uns an: ‚Nicht ansprechen! Nicht ansprechen!’ Zurück in Copiapó aber führte er sich auf, als habe er den Berggipfel gestürmt und uns danach durch die Wüste nach Hause geführt.«
    »Fred aus Solingen?«, rief ich erstaunt. »Leute! Die Welt ist ja so klein! Das ist er: der Freund, für den ich die Wundsalbe auftreiben soll!«
     
    Bis Antofagasta waren es rund 150 Kilometer.
     
    Ungefähr auf halber Strecke sagte Nik: »Wir müssen dir unbedingt etwas zeigen. Du machst doch Kunst, oder?«
    »Nein«, korrigierte ich. »Ich restauriere Kunst, die andere gemacht haben.«
    »Jedenfalls bist du irgendwie künstlerisch unterwegs«, fegte Nik meinen Einwand beiseite. (Wie oft mir dieses Missverständnis schon begegnet ist, lässt sich kaum mehr zählen.)
    »Auf einer Anhöhe hier in der Gegend«, fuhr Nik fort, »steht ein tolles Kunstwerk: La Mano del Desierto. Normalerweise kann ich mit Kunst ja überhaupt nichts anfangen, schon gar nicht mit moderner, aber dieses Ding ist echt beeindruckend.«
    Obwohl mir nach diesem letzten Satz nichts Gutes schwante, willigte ich ein, den kleinen Abstecher zu unternehmen.
     
    Die Mano del Desierto war eine ausgestreckte Zementhand, die – von der Mittelhand aufwärts – elf Meter hoch aus dem Sand ragte.
    Wie wir davorstanden, schaute mich Laura erwartungsvoll an: »Und, was sagst du?«
    Für meine Begriffe war das Ding nichts anderes als Kitsch.
    »Glaubt ihr«, versuchte ich es vorsichtig, »dass am anderen Ende ein Fuß aus der Erde sticht? Irgendwo in China? Ich meine: Wennschon, dennschon!«
    Laura lehnte sich mit dem Rücken an Nik. Er legte eine Hand auf ihre Schulter.
     
    Die Stimmung zwischen uns nahm eine leichte Kurve nach unten.
    Sie wurde auch nicht besser, als ich im Auto einen Versuch unternahm, ernsthaft auf Lauras Frage zu antworten. »Ich glaube, dass diese Plastik vor allem deshalb beeindruckt, weil sie so groß ist. Mir persönlich ist das zu wenig. Außerdem weckt sie doch bei allen dieselbe Assoziation: Dort liegt ein riesenhaftes Wesen im Sand begraben. Vielleicht denkt man dabei ans Versinken und Verzweifeln, ja gut. Und dann?«
    Ich merkte, wie mein Tonfall mit jedem Wort ein wenig schärfer wurde. Dass ich im Begriff war, mich für das Ausbleiben von Euphorie zu rechtfertigen, erschien mir plötzlich ganz krumm.
    Nik brachte die Sache zu einem abrupten Ende, indem er feststellte: »Was solls. Über Geschmack lässt sich eben nicht streiten.«
     
    Endlich ist mir nicht mehr übel. Mein Magen hat sich offenbar an die neue Kost gewöhnt. Wahrscheinlich war es vor allem das Wasser aus dem kleinen Tümpel, das mich für einige Tage lahmgelegt und mir auch das Zeitgefühl genommen hat. Nehme doch an, es war Fieber.
     
    Es ist Ende August, aber welches Datum genau?
     
    Langsam sollte ich mir Gedanken darüber machen, wie es weitergeht, ich kann schließlich nicht ewig hierbleiben. Die Tage werden kürzer und die Nächte merklich kühler. Außerdem ist kaum mehr Benzin in meinem Feuerzeug.
     
    Noch bin ich keinem anderen Menschen begegnet, aber manchmal höre ich in der Ferne Flugzeuglärm. Daran, dass das Leben außerhalb meines kleinen Reviers normal weitergeht, habe ich nicht den geringsten Zweifel. Ich müsste nur in irgendeine Richtung aufbrechen.
    Die Sache ist bloß die: Nach allem, was passiert ist, treibt es mich nirgendwo hin.
    Ich wüsste auch niemandem etwas zu sagen.

14
    In Antofagasta hielten wir nach einem Hotel für mich Ausschau. Wir fanden eine große moderne Anlage gleich am Strand.
    Nik und Laura blieben

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