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Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Schröder
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befolgte ich ein Horoskop, an das ich nicht glaubte.
     
    Ich sah Nik und Laura schon aus der Ferne. Wie auf ihrem Prospekt standen sie an ihren Jeep gelehnt.
    Laura entdeckte mich als Erste. Sie zupfte an Niks
t -Shirt, wies in meine Richtung und winkte mir. Sie kamen mir entgegen und begrüßten mich. Nacheinander nahmen sie mich in die Arme.
    Eingeübte Vertraulichkeiten wie diese sind mir immer unangenehm, also machte ich es kurz. Ersatzweise versuchte ich, ihr offenes Strahlen zu erwidern. – Was mir missglückte und mehr zu einem schiefen Lächeln geriet (komisches Gefühl, wenn die obere Gesichtshälfte nicht mittut). Nik wandte sich an Laura und witzelte: »Hast du nicht auch den Eindruck, dass sich da jemand maßlos freut, uns wiederzusehen?«
    »Entschuldigt«, sagte ich. Mit einer Bemerkung, die die Worte »müde« und »hungrig« enthielt, überspielte ich meinen Impuls, erneut das Weite zu suchen.
     
    Wir luden meinen Rucksack in den Kofferraum.
    Ich nahm hinten Platz.
    »Antofagasta?«, fragte Nik in den Rückspiegel.
    »Antofagasta«, bestätigte ich.
     
    »Jetzt erzähl schon«, ermunterte mich Laura, während sie mir eine Flasche Eistee und ein mit Huhn belegtes Brot reichte.
    Nun bedauerte ich, dass ich den beiden so kühl begegnet war. Von unserem ersten Treffen an hatten sie meinen Wüstenplan uneingeschränkt unterstützt und mir keine unangenehmen Fragen gestellt. Sie hatten nicht lang gefackelt, waren fürsorglich und zuverlässig. Auch wenn sie mit dieser Fürsorge ihr Geld verdienten, stand ich in ihrer Schuld.
    Diese Schuld, so schien mir, war nur durch Begeisterung abzutragen. Also klaubte ich, anfangs etwas stockend, dann immer müheloser, alles zusammen, was mir zur Einmaligkeit der Wüstenlandschaft und dem Gefühl, in ihr ganz allein zu sein, einfiel. Ich pries – natürlich! – den klaren Sternenhimmel und das Erlebnis absoluter Stille. Nirgends werde einem so bewusst – naja, vielleicht noch auf dem Meer –, wie mikroskopisch klein das eigene Leben sei und dass die Erde sich ganz unbeeindruckt weiterdrehen würde, einfach weiter, auch wenn man irgendwann darin begraben läge. Ich hätte diesen Gedanken nur in der ersten Nacht als beängstigend empfunden, dann aber als tröstlich. Überhaupt sei ich in den drei Tagen ganz ruhig geworden und hätte mich nur noch aufs Gehen konzentriert.
    Laura und Nik schienen äußerst zufrieden.
     
    Vielleicht hatte ich das alles tatsächlich so empfunden, vielleicht entsprang mein Bericht aber auch nur den Vorstellungen, die ich mir vorher von der Wüste gemacht hatte. Möglicherweise waren es auch Ideen, die ich jetzt erst, im Reden darüber, entwickelte.
     
    Es fällt mir manchmal schwer, Erlebtes und Gedachtes, Gesehenes und die Bilder in meinem Kopf nachträglich voneinander zu unterscheiden. Immerhin gebe ich gerne zu, dass ich gelegentlich etwas durcheinanderbringe.
    Erinnerungen überschreiben sich fortlaufend selbst. Sie verbinden sich mit den Momenten, in denen man sie hervorholt. Es sind Amalgame aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Empfindungen. Wenn man von sich erzählt, schrammt man beinahe zwangsläufig an der Wahrheit vorbei. Weil Verstand und Körper permanent von solchen Rückkoppelungen beeinflusst sind, gibt es gute Gründe dafür, die Fähigkeit zur Wahrheitsfindung in eigener Sache in Frage zu stellen.
    Hebt man die Mundwinkel, auch wenn einem gar nicht zum Lachen zumute ist, schüttet der Körper Endorphine aus. Er gibt das Signal »Freude!«, und das Gehirn ist dermaßen auf Ausgleich programmiert, dass es ihm die dafür notwendigen Stoffe nachträglich serviert.
    Damit, dass vieles zwar im Kopf und dennoch jenseits der Ratio entschieden wird, kann sich jeder anfreunden, der die Vernunft wirklich liebt. Wer annimmt, der in der Mikrophysik überall nachweisbare Zufall hätte im eigenen Kopf keine Chance, ist ein verdeckter Esoteriker. Ich selbst übe mich jedenfalls lieber in Skepsis, wenn es um meine Wahrnehmungen, Erinnerungen und meinen Verstand geht oder darum, mich im Nachhinein zu irgendetwas zu erklären.
     
    Mein enthusiastischer Bericht über die Tage in der Wüste wischte die dumpfe Ahnung, dass ich dort etwas Wichtiges zurückgelassen hatte, beiseite und ließ mich jetzt gut gelaunt im Fond sitzen.
    »Wie bist du eigentlich mit dem schweren Rucksack zurechtgekommen?«, erkundigte sich Laura.
    »Welcher Rucksack?«, konterte ich.
    »Angeberin«, kommentierte Nik. »Gib zu: Dir tun die Knöchel

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