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Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Schröder
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und stellte mich, ein Glas Wein in der Hand, in den Pulk fremder Menschen.
    Ich stand ruhig, rauchte eine Zigarette, trank, beobachtete die Szenerie und horchte in mich hinein. Wenn mich jemand musterte und sich zu fragen schien, ob ich auf irgendwen wartete oder tatsächlich allein sei, versuchte ich, nicht verlegen zu werden. Freundlich, niemals aber einladend, erwiderte ich den Blick, als wäre ich ein Spiegel.
     
    Ich badete in der Geselligkeit der anderen und machte mir gleichzeitig einen Spaß daraus, sie für einen Moment durch meine Anwesenheit zu irritieren.
    Dann ging ich.
     
    Solche Nächte sind nun so weit entfernt.
    Wenn ich daran zurückdenke, empfinde ich diese stillen Kundgebungen meiner Isoliertheit, die ja im Alltag für niemanden sichtbar war, mir aber seit Jahren den Zugang zu allen möglichen Vergnügungen versperrte, als Ausdruck einer beschämenden Unfähigkeit. Hätte ich im Alltag etwas weniger Mühe darauf verwendet, das mich durchdringende Gefühl der Abgeschiedenheit zu verbergen – etwa, indem ich es (und das war eine meiner bewährtesten Methoden) scherzhaft wie einen Spleen in ein Gespräch einfließen ließ: Möglicherweise hätte es mich dann nicht mehr nachts auf die Straßen und in die Bars getrieben, wo ich dieses Gefühl – unverstellt zwar, aber auch ohne jede Aussicht auf Trost – herzeigte.
    Mir war dabei, als würde ich freiwillig mit aufgeschürften Knien über den Asphalt rutschen. Etwas an diesen Nächten kommt mir daher verdächtig eitel vor. Kokett, irgendwie, und undankbar. Denn ich war nicht allein.

15
    Ein leises Klopfen weckte mich.
    Ich bat das Zimmermädchen, mich für dieses Mal auf ihrem Rundgang auszusparen, legte mich wieder hin und schlief weiter.
    Am Mittag bestellte ich mir eine Kanne Tee mit
Zitrone und ein Sandwich aufs Zimmer. Ich entfernte die Schilder aus meinen neuen Sachen, zog Hose und Shirt an und suchte die Rezeption auf. Auf meine Bitte wies man mir eine Internetkabine zu.
    Ich verschickte eine Nachricht an Aaron und beantwortete zwei e -Mails von Freunden, die sich nach meinem Verbleib erkundigten. Dann schrieb ich an Robert, berichtete kurz von meinen Wüstentagen und teilte ihm meinen neuen Aufenthaltsort mit.
     
    Vom Hotel aus lief ich zum Strand und über den von schwarzen Kränen gesäumten Pier. Außer mir war kein Mensch da.
    Schwere, silbern gerandete Wolken bedeckten den Himmel, nur ab und an kam die Sonne durch und wanderte wie ein Bühnenlicht über die Stadt und das Meer.
    Der Wind blies mir entgegen.
    Ich genoss es, an diesem unwirtlichen Ort zu sein.
     
    Im Hafen sah ich ein paar Fischern beim Ausladen ihrer Fänge zu. Einer von ihnen winkte mir mit einem Tintenfisch. Ich ging weiter zum Jachthafen, wo mir unter vielen protzigen Motorjachten ein elegantes Segelschiff aus Holz auffiel. Ich setzte mich auf einen Poller, um es in Ruhe zu bewundern: Es war ein Zweimaster von etwa 15 Metern Länge. »Sepia« stand in schlichten Lettern darauf.
    Ich schloss die Augen, um den Windgeräuschen in der Takelage, dem Klirren und Klopfen und dem sanften Plätschern im Hafenbecken zuzuhören.
     
    »Hola!«, sprach mich jemand an und tippte mir an die Schulter. Ich sprang auf.
    Vor mir standen die beiden Männer von gestern Abend.
    Der ältere trug einen Werkzeugkasten und zwei Pinsel mit sich, der andere ein Bündel Tücher und einen Metallkanister.
    »Hola«, antwortete ich vorsichtig.
    Der Ältere wies auf seinen Begleiter und sagte: »Jott«. Dann deutete er auf sich und sagte: »Aki«.
    Ich gab ihnen die Hand und stellte mich ebenfalls vor.
    Es entstand eine Pause.
    »Ein schönes Boot, nicht?«, sagte Aki. »Wir müssen den Wasserzulauf zur Spüle reparieren und die Kajüte lackieren.«
    »Kann ich vielleicht mitmachen?«, fragte ich.
    »Ich nehme an, du meinst nicht die Spüle«, antwortete er, drückte mir einen breiten Pinsel in die Hand und sagte: »Du musst die Schuhe ausziehen.«
    Ich tat es und folgte den beiden barfuß aufs Deck.
     
    In der Kajüte füllte Aki den Bootslack in zwei Dosen, kramte aus einer am Boden liegenden Plastiktüte zwei Lackwannen hervor und schickte uns damit an die Arbeit.
    Jott bestieg das flache Kajütdach, ich positionierte mich an einer Seitenwand.
    »Du darfst nicht zögern«, sagte er. »Du musst den Pinsel möglichst gleichmäßig führen.«
    Ich nickte, tauchte die Borsten ein, streifte sie ab und setzte an. Dann zog ich den Pinsel in einer fließenden Bewegung von links nach rechts, nahm

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