Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
gründetest. Du solltest doch zum Sommertreffen mit den Lanzadonii gehen und rechtzeitig für die Feier des Zusammengebens dort sein. Sie wird dir die Augen auskratzen, und wenn es eine Frau gibt, von der ich nicht möchte, daß sie auf mich wütend ist, dann ist sie es. Bist du sicher, daß du nicht von ihr wegläufst?«
Thonolan hatte einen unbekümmerten Ton angeschlagen, aber der Ernst in seinen Augen verriet ihn.
»Kleiner Bruder, wie kommst du darauf, daß du der einzige in dieser Familie bist, der den Wandertrieb verspürt? Du hast dir doch wohl nicht eingebildet, daß ich dich ganz allein losziehen lasse, oder? Und du dann heimkehrtest und großtun könntest mit deiner langen Reise? Irgend jemand muß doch mitziehen, damit du hinterher nicht das Blaue vom Himmel herunterflunkerst – jemand, der aufpaßt, daß dir nichts zustößt«, erwiderte der großgewachsene blonde Mann, bückte sich dann und ging ins Zelt hinein.
Es war hoch genug, um bequem darin sitzen oder knien zu können, aber nicht hoch genug, darin zu stehen; der Platz reichte für ihre beiden Schlafrollen und ihr Gerät. Hochgehalten wurde das Zelt von drei in gerader Flucht aufgestellten Stangen; ungefähr in der Mitte, bei der mittleren und größeren Stange, befand sich eine Öffnung mit einer Lasche darüber, die man herunterrollen und mit Riemen verschließen konnte, um den Regen draußenzuhalten, oder aufrollen, um den Rauch hinauszulassen, wenn sie ein Feuer im Zelt machen wollten. Jondalar zog die drei Stangen aus dem Boden und kroch mit ihnen zur Zeltöffnung hinaus.
»Dafür sorgen, daß mir nichts zustößt?« sagte Thonolan. »Mir müssen doch Augen am Hinterkopf wachsen, um aufzupassen, was sich hinter deinem Rücken tut! Wart’ nur, bis Marona dahinterkommt, daß du nicht bei Dalanar und den Lanzadonii bist, wenn sie zum Treffen kommen. Könnte sein, daß sie beschließt, sich in eine Donii zu verwandeln und über den Gletscher zu fliegen, den wir gerade überquert haben, um dich zu packen, Jondalar.« Beide machten sie sich daran, das Zelt zusammenzulegen. »Sie hat doch schon lange ein Auge auf dich geworfen, und ausgerechnet in dem Augenblick, wo sie glaubt, dich zu haben, kommst du auf den Gedanken, eine lange Reise zu machen. Ich glaube, du hast einfach keine Lust, deine Hand in diese Schlinge zu stecken und zuzulassen, daß Zelandoni den Knoten schlingt. Ich glaube, mein großer Bruder ist ehescheu.« Sie legten das Zelt neben die Traggestelle. »Die meisten Männer in deinem Alter haben schon ein oder zwei Sprößlinge an ihrem Herdfeuer«, fügte Thonolan noch hinzu und duckte sich, um einem spielerischen Faustschlag seines älteren Bruders zu entgehen; jetzt lächelten auch seine grauen Augen.
»Die meisten Männer meines Alters! Ich bin schließlich nur drei Jahre älter als du«, sagte Jondalar in gespieltem Zorn. Dann stieß er ein herzliches lautes Lachen aus, das in seiner lockeren Überschwenglichkeit um so überraschender war, als es völlig unerwartet kam.
Die beiden Brüder waren verschieden wie Tag und Nacht; der etwas kleinere, dunkelhaarige war der Unbeschwertere von beiden. Sein gutmütiges Wesen, sein ansteckendes Grinsen und sein heiteres Lachen bewirkten, daß er überall rasch gern willkommen geheißen wurde. Jondalar war ernster, runzelte oft nachdenklich und besorgt die Stirn, und wenn er auch leicht lächelte, besonders in Gegenwart seines Bruders, lachte er doch nur selten laut heraus. Tat er es aber doch, hatte die Hemmungslosigkeit seines Lachens etwas Überraschendes.
»Und woher willst du wissen, daß Marona nicht schon etwas Kleines hat, es an mein Herdfeuer zu bringen, wenn wir zurück sind?« sagte Jondalar, als sie die lederne Bodendecke zusammenrollten, die mit Hilfe einer der Stangen rasch zu einem kleinen Wind- oder Regenschutz aufgestellt werden konnte.
»Und woher nimmst du die Überzeugung, daß mein schwer zu fassender Bruder der einzige Mann ist, den sie ihrer wohlbekannten Reize für würdig erachtete? Marona versteht sich wahrhaftig darauf, einem Mann zu gefallen – wenn sie will. Und dieses Feuer, das sie hat … Du bist der einzige Mann, der jemals mit ihr hat fertigwerden können, obwohl es weiß Doni genug gibt, die sie nehmen würden, und wenn sie noch so launenhaft ist. Warum hast du dich nicht mit ihr zusammengetan? Jeder hat das seit Jahren erwartet?«
Thonolan meinte diese Frage ernst. Kummer trat in Jondalars lebhaft blaue Augen, und seine Stirn legte sich in Falten.
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