Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
»Sexsymbole«, Kultfigürchen oder magische Zeichen, bzw. Amulette gewesen sein wie ganz einfach Kinderspielzeug. Vielleicht auch waren sie sowohl das eine als auch das andere und vereinigten mehrere Funktionen in sich. Oder aber die einen dienten diesem, die anderen jenem Zweck. Wir wissen es nicht.
Ebensowenig sprechen die beim ersten Hinsehen so beredt erscheinenden Wand- und Deckenmalereien der großen jungsteinzeitlichen Höhlenkunst für sich selbst. Sie lassen herdenweise Tiere am Betrachter vorbeiziehen, ohne daß man von »Szenen« sprechen könnte, Handabdrücke, Hand»Negative« auf eingefärbten Flächen, Farbkleckse und rätselhafte Zeichen bedecken die Felswände. Bisweilen stößt man zwischen Pferden, Mammuten, Rindern und anderem Wild auf ein Gesicht (einen »Dämon«?), ein Fabelwesen, einen »Zauberer« in Tier-Mensch-Mischgestalt (einen »Gott«?), an einer Stelle auch auf Reliefdarstellungen nackter Frauen in Frontalansicht (Laussel). Auch noch in einigen anderen Fällen sind – meist stark stilisiert – Frauen abgebildet. Seltsam eine Reihe vereinzelter Darstellungen, die verwundete oder getötete Menschen zeigen – bisweilen in Zusammenhang mit Wisenten (die berühmteste Darstellung dieser Art findet sich in der Höhle von Lascaux). Es sind die einzigen Bilder dieser Höhlenkunst, die sich als »Szenen« ansprechen lassen. Diese Kunstwerke – oft meisterhaft in der Ausführung und außerordentlich eindringlich in ihrer Wirkung – geben Rätsel auf. Sie finden sich oft an völlig unzugänglichen Stellen tief im Inneren von Höhlen dem Blick entzogen, dienten also wohl kaum der Befriedigung des Schönheitssinnes. Manche Bilder sind einfach übermalt, so daß es Überschneidungen und Überlagerungen gibt. Aber wenn sie auch vielleicht sakralen Charakter hatten – ob man versteinerte steinzeitmenschliche Fußspuren, die man gleichfalls fand, als Zeugnisse »stampfender orgiastischer Tänze« zu werten hat, ist ganz und gar ungewiß.
Der französische Abbé Henri Breuil (1877-1961), der große Pionier der Jungpaläolithikums-Höhlenforschung, brachte diese Höhlenkunst mit Jagd- und Fruchtbarkeitszauber in Verbindung. Neuere Forscher – so André Leroi-Gourhan und Annette Laming-Emperaire – glaubten an eine sakrale Sexualsymbolik dieser Höhlenkunstwerke und meinten, ein regelrechtes »Bilderprogramm« nachweisen zu können. Doch wie schwach ihre Position ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, daß beide sich nicht einmal darüber einig werden konnten, welche Tierart als welches Geschlechtssymbol anzusehen sei (bzw. welchen Geschlechtsaspekt vertrete). Nein, auch die scheinbar so beredten Höhlenmalereien und -reliefs dieser großartigen jungsteinzeitlichen Kunst sprechen zumindest keine uns schon verständliche Sprache. In den rund 10 Jahrtausenden ihres Bestehens ist der Schlüssel zu ihrem Verständnis verlorengegangen, und es kann noch keine Rede davon sein, daß wir ihn wiedergefunden hätten.
Nicht viel anders verhält es sich mit der Einteilung des Jungpaläolithikums in einzelne Kulturen, die man jeweils nach einer besonders typischen Fundstätte mit charakteristischem Inventar (meist aber auch einfach nach der ersten ausgegrabenen Fundstätte des betreffenden Typs) zu benennen pflegt.
Die »klassische« Einteilung lautet: Aurignacien, Gravettien, Solutréen und Magdalénien, doch schaltet man in Frankreich noch ein Châtelperronien vor, das man mit dem Gravettien zu einer besonderen Formengruppe, dem Périgordien, zusammenzufassen und dem Aurignacien entgegenzustellen pflegt. Folglich gab es womöglich mehrere Entwicklungsstränge nebeneinander, und daneben entwickelte sich ein »Gravettien östlicher Prägung« mit Schwerpunkten in Mähren und südlich des Plattensees, ganz zu schweigen von anderen Ausprägungen wie etwa in der Levante. Nicht selten lösen jedoch Périgordien- und Aurignacien-Schichten einander ab. Nun liegen zwar für die einzelnen dieser »Kulturen« unabhängige naturwissenschaftliche Zeitansätze vor, dennoch ist man durchaus nicht mehr sicher, ob all diese »Stufen« und »Kulturen« tatsächlich aufeinanderfolgende Zeiträume, sozusagen »Epochen des Jungpaläolithikums«, repräsentieren – ja von der Völkerkunde herkommende amerikanische Vorgeschichtler geben sogar zu bedenken, daß vermeintliche »Kultur-Unterschiede« einfach auf funktionale Unterschiede zwischen einzelnen Plätzen zurückzuführen sein könnten (an einer dieser Stätten hatte man
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