Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
groß, länger als die Hälfte des relativ kurzen Rüssels, von dessen Ende zwei hochempfindliche und bewegliche fingerartige Fortsätze ausgingen, einer oben und einer unten. Ihr Schwanz war wieder kurz, und sie hatte auch kleine Ohren, was beides half, möglichst wenig Körperwärme abzugeben.
Mammuts waren hervorragend für das Leben in großer Kälte geeignet. Ihre sehr dicke Haut wurde von einer zehn Zentimeter oder noch dickeren Fettschicht isoliert und war mit einem dichten, wärmenden, zwei bis drei Zentimeter kurzen Unterfell bedeckt. Das grobe, dunkel rotbraune, feuchtigkeitsabweisende Oberfellhaar wurde bis zu fünfzig Zentimeter lang, hing in dichten Lagen über der daunenweichen Unterdecke und schützte diese vor Wind und Nässe. Mit leistungsfähigen Mahlzähnen zerkleinerten sie im Winter trockenes Gras, Zweige und die Rinde von Birken, Weiden und Lärchen so mühelos wie im Sommer die grünen Gräser, Seggen und Kräuter.
Am eindrucksvollsten jedoch waren an den Mammuts die gewaltigen Stoßzähne, die ebensosehr Erstaunen wie Angst erregten. Nahe beieinander aus dem Oberkiefer herauswachsend, zeigten sie zuerst steil nach unten, rundeten sich dann kraftvoll nach oben und außen und kehrten sich am Schluß noch nach innen. Bei alten Bullen konnte der Stoßzahn eine Länge bis zu viereinhalb Metern erreichen, doch wenn sie das taten, kreuzten sie sich an den Enden bereits. Bei Jungtieren waren die Stoßzähne gefährliche Waffen und eingebaute Werkzeuge, die zum Entwurzeln von Bäumen ebenso dienten wie zum Forträumen von Weide und Futter bedeckendem Schnee, doch sobald die beiden Spitzen sich nach oben wendeten und sich übereinander legten, waren sie nur im Wege und behinderten mehr als daß sie geholfen hätten.
Der Anblick der gewaltigen Tiere löste in Ayla eine Flut von Erinnerungen an das erste Mal aus, da sie Mammuts gesehen hatte. Sie wußte noch genau, wie heiß sie sich damals gewünscht hatte, mit den Männern des Clan auf die Jagd gehen zu dürfen; dabei fiel ihr ein, daß Talut sie aufgefordert hatte, an der ersten Mammutjagd dieses Jahres, die die Mamutoi veranstalteten, teilzunehmen. Sie ging gern auf die Jagd, und die Vorstellung, diesmal die anderen Jäger begleiten zu können, weckte kribbelnde Erwartung. Sie fing an, sich wirklich auf das Sommer-Treffen zu freuen.
Die erste Jagd des Jahres besaß eine wichtige symbolische Bedeutung. So massig und majestätisch die Wollhaar-Mammuts waren – die Gefühle, die sie bei den Mamutoi weckten, beschränkten sich nicht auf Fassungslosigkeit und Staunen über ihre Größe. Die Mamutoi hingen nicht nur in bezug auf Nahrung von den Mammuts ab, und da sie auf sie angewiesen waren und entsprechend den Wunsch hatten, daß die großen Tiere weiterhin existierten, hatten sie eine ganz besondere Beziehung zu ihnen entwickelt. Weil sie ihre eigene Art und Lebensweise ganz auf sie abgestimmt hatten, brachten sie ihnen Hochachtung, ja Ehrerbietung entgegen.
Die Mammuts besaßen keine natürlichen Feinde; es gab kein Raubtier, das regelmäßig von ihnen gelebt hätte. Den riesigen Höhlenlöwen, doppelt so groß wie alle anderen Raubkatzen, die ihre Beute für gewöhnlich unter den großen Weidetieren wie Uren, Wisenten, Riesenhirschen, Elchen und Pferden schlugen, fiel vielleicht einmal ein Kalb oder ein krankes oder altersschwaches Tier zum Opfer, doch kein vierbeiniger Räuber, ob er nun allein jagte oder im Rudel, konnte ein in der Blüte seiner Kraft und Jahre stehendes Mammut zur Strecke bringen. Einzig den Mamutoi, den Menschenkindern der Große Erdmutter, war die Fähigkeit gegeben, Jagd auf das größte ihrer Geschöpfe zu machen. Sie waren die Auserwählten. Sie nahmen unter Ihren Geschöpfen die erste Stelle ein. Sie waren die Mammutjäger.
Nachdem die Mammutherde vorübergezogen war, folgten die Angehörigen des Löwen-Lagers ihr mit größter Wachsamkeit. Nicht, um sie zu jagen, denn das sollte später kommen. Zunächst hatten sie es auf die flaumweiche Wolle ihres Unterfells abgesehen, die in größeren Fetzen unter den langen gröberen Oberhaaren abgestoßen wurde. Die natürlich gefärbte dunkelrote Wolle, die vom Boden aufgehoben und von Dorngestrüpp, an dem es sich verfangen hatte, abgesammelt wurde, galt als besondere Gabe des Geister-Mammut.
Wenn der Zufall es wollte, wurde auch die weiße Wolle des Mufflons, die diese wilden Schafe im Frühling abstreiften, die unglaublich weiche erdbraune Wolle der Moschusochsen und die
Weitere Kostenlose Bücher