Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
bald so tief wurde, daß ihre Beine bis zur Hüfte naß wurden, brauchte das Pferd nicht zu schwimmen; es behielt festen Boden unter den Hufen. Die beiden Reiter versuchten zunächst, ihre Beine aus dem Wasser zu ziehen, aber bald wurden sie unempfindlich gegenüber der Kälte. Als sie ungefähr die halbe Strecke zurückgelegt hatten, wandte sich Ayla nach Wolf um. Er befand sich noch am Ufer, lief unruhig hin und her und scheute sich wie gewöhnlich, ins Wasser zu springen. Ayla ermutigte ihn durch einen Pfiff, und als sie sich abermals umwandte, sah sie, daß er auf sie zu-schwamm.
Sie erreichten das andere Ufer ohne Zwischenfall. Sie zitterten vor Kälte, als der eisige Wind um ihre nassen Beine strich. Nachdem sie das Wasser mit den Händen abgewischt hatten, zogen sie rasch ihre Beinlinge und ihre mit weicher Gamswolle gefütterten Mokassinstiefel an - ein Abschiedsgeschenk der Sharamudoi, das sie in diesem Augenblick mehr als je zuvor zu schätzen wußten. Ihre Füße und Beine kribbelten, als die Wärme wieder in ihnen emporstieg. Als Wolf das Ufer erreichte, kletterte er die Böschung hoch und schüttelte sich. Ayla untersuchte ihn und stellte fest, daß das kalte Bad ihm nicht geschadet hatte.
Sie schwangen sich aufs Pferd und hatte nach kurzer Zeit die Spur der Herde wieder aufgenommen. Wieder versuchte Wolf, mit ihnen Schritt zu halten; aber bald fiel er zurück. Die Tatsache, daß er sie am Abend zuvor gefunden hatte, be-schwichtigte ihre Ängste ein wenig, und sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß er oft fortgelaufen war, um zu jagen oder die Gegend zu erkunden, und stets wiedergekommen war. Sie ließ ihn ungern zurück; aber sie mußten Winnie finden.
Am späten Nachmittag erblickten sie endlich in der Ferne die Pferde. Als sie sich ihnen näherten, bemühte sich Ayla, Winnie unter den anderen Tieren herauszufinden. Sie glaubte, ein vertrautes heufarbenes Fell entdeckt zu haben, aber sie war sich ihrer Sache nicht sicher. Es gab zu viele andere Pferde mit ähnlichem Fell; und als der Wind der Herde ihren Geruch zutrieb, stob sie davon.
"Diese Pferde sind schon einmal gejagt worden", meinte Jondalar. Er wollte noch etwas hinzusetzen, unterbrach sich aber rechtzeitig, um Ayla nicht noch mehr zu beunruhigen. Es mußte Leute in dieser Gegend geben, die Pferdefleisch schätzten. Die Herde ließ den jungen Hengst, der zwei Reiter zu tragen hatte, bald hinter sich zurück; aber sie folgten den Hufspuren. Das war alles, was sie im Augenblick tun konnten.
Die Herde wandte sich aus irgendeinem Grund nach Süden und strebte wieder dem Großen Mutter Fluß zu. Bald begann der Boden anzusteigen. Das Land wurde felsig, das Gras spärlicher. Sie ritten weiter, bis sie zu einem großen, hochgelegenen Feld kamen. Als sie tief unter sich Wasser glitzern sahen, erkannten sie, daß sie sich auf dem Plateau eines Felsvorsprungs befanden, den sie vor einigen Tagen umgangen hatten. Der Fluß, den sie durchquert hatten, floß an der Westseite des Vorsprungs der Mutter zu.
Als die Herde anfing zu grasen, ritten sie langsam näher.
"Da ist sie, Jondalar!" sagte Ayla aufgeregt und wies auf ein Tier.
"Woher willst du das wissen? Viele Pferde haben die gleiche Farbe."
Obgleich sie ähnlich gefärbt war wie andere, kannte Ayla die Gestalt ihrer Stute zu gut, um den mindesten Zweifel zu hegen. Sie pfiff, und Winnie sah auf. "Siehst du? Sie ist es!"
Sie pfiff ein zweites Mal, und Winnie begann, auf sie zuzu-traben. Aber als die Leitstute, ein großes, anmutiges Tier mit einem ungewöhnlich graugoldenen Fell, sah, daß sie sich von der Herde entfernte, setzte sie sich in Bewegung und versperrte ihr den Weg. Der Leithengst kam ihr zu Hilfe. Er war ein mächtiges, cremefarbenes Tier mit einer imposanten Silbermähne, einem grauen, den Rücken hinablaufenden
Streifen und einem silbrigen Schweif, der fast weiß aussah, wenn er ihn peitschend durch die Luft fegen ließ. Seine Beine waren ebenfalls silbergrau. Er biß Winnie in die Sprunggelenke und trieb sie den anderen Stuten zu, die mit unruhigem Interesse zusahen. Dann galoppierte er langsam wieder zurück, um den jungen Hengst herauszufordern. Er stampfte mit den Vorderhufen auf den Boden, bäumte sich wiehernd auf und stellte sich Renner zum Kampf.
Der junge braune Hengst trat eingeschüchtert einige Schritte zurück und ließ sich zum Ärger seiner menschlichen Begleiter nicht bewegen, näher an die Herde heranzurücken. Aus sicherer Entfernung begrüßte er mit
Weitere Kostenlose Bücher