Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
atmete tief auf; dann schaute sie sich nach Jondalar um.
Sie sah ihn nicht. Das Feuer bewegte sich von ihnen fort; der Wind wehte aus südwestlicher Richtung über das Plateau. Aber die Flammen hatten ihren Zweck erreicht. Sie blickte in alle Richtungen, aber Jondalar war nirgends zu sehen. Ayla war mit den beiden Pferden allein auf dem rauchenden Feld. Ein Gefühl der Beklemmung drückte ihr die Kehle zu. Was war mit Jondalar geschehen?
Sie stieg ab, und mit Renners Leitseil in der Hand sprang sie auf Winnies Rücken. Dann ritt sie zurück zu dem Platz, an dem sie sich getrennt hatten. Sie suchte das Gebiet sorgfältig ab, ging hin und her und hielt nach Spuren Ausschau; aber der Boden war voll von den Abdrücken der Pferdefuß. Dann, aus den Augenwinkeln, erspähte sie etwas und lief hin, um zu sehen, was es war. Der Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie Jondalars Speerschleuder vom Boden aufhob.
Als sie näher hinsah, entdeckte sie die Abdrücke von Füßen, die offensichtlich von vielen Leuten stammten; doch deutlich unterschied sie die Abdrücke von Jondalars abgetragenen Mokassins. Sie hatte diese Abdrücke so oft an ihrer gemeinsamen Lagerstätte gesehen, daß sie sich nicht irren konnte. Dann erblickte sie einen dunklen Reck am Boden. Sie beugte sich nieder, um ihn zu berühren, und ihre Fingerspitze war rot von Blut.
Ihre Augen weiteten sich, und Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie blieb stehen, wo sie war, um die Spuren nicht zu verwischen, sah sich aufmerksam um und versuchte, aus den verstreuten Hinweisen zu erraten, was geschehen war. Sie war eine erfahrene Spurenleserin, und ihrem geschulten Verstand wurde bald klar, daß man Jondalar verletzt und fortgeschleppt hatte. Sie folgte den Fußabdrücken eine Zeitlang nach Norden. Dann prägte sie sich ihre Umgebung ein, um später die Spur wieder aufnehmen zu können, schwang sich auf Winnies Rücken, Renners Leitseil fest in der Hand, und wandte sich nach Westen, um die Kiepe wiederzufinden.
Während sie ihren Weg verfolgte, vertiefte sich die harte Falte über ihrer Nasenwurzel. Sie mußte nachdenken und zu einem Entschluß gelangen. Irgendwer hatte Jondalar verletzt und mitgenommen, und niemand hatte das Recht, so etwas zu tun. Vielleicht wußte sie nicht viel von der Lebensweise der Anderen; aber das war etwas, das sie wußte. Sie wußte auch noch etwas anderes: noch war ihr unklar, wie, aber sie würde ihn zurückholen.
Sie war erleichtert, als sie die Kiepe noch so an dem Fels-brocken lehnen sah, wie sie sie zurückgelassen hatten. Sie räumte sie leer und nahm einige Änderungen vor, damit Renner sie auf dem Rücken tragen konnte. Dann begann sie, den Tragekorb wieder vollzupacken. Sie hatte am Morgen ihren Gürtel abgelegt - er war ihr hinderlich erschienen -und alles in die Kiepe gestopft. Sie hob den Gürtel auf und prüfte den scharfen Zeremoniendolch, der noch in einer Schlaufe steckte, wobei sie sich versehentlich mit der Spitze in den Finger stach. Sie starrte auf den kleinen Blutstropfen, der sich zu bilden
begann, und hatte das Gefühl, weinen zu müssen. Sie war wieder allein. Irgend jemand hatte Jondalar entführt.Sie legte den Gürtel wieder an und steckte den Dolch, das Messer, die Axt und einige Jagdwaffen hinein. Sie würde nicht lange allein sein! Sie packte das Zelt auf Renners Rücken, nahm aber die Schlafrolle an sich. Wer konnte sagen, welches Wetter sie erwartete? Sie nahm auch einen Wasserbeutel an sich. Dann holte sie einen Riegel des Reiseproviants aus dem Korb und setzte sich auf den Felseh. Sie war nicht eigentlich hungrig, aber sie wußte, daß sie bei Kräften bleiben mußte, wenn sie Jondalar wiederfinden wollte.
Neben der Sorge um den Mann beschäftigte sie etwas anderes: Wolf war noch nicht wieder erschienen. Sie konnte sich erst auf die Suche nach Jondalar machen, wenn Wolf da war. Er war nicht nur ein vertrauter Gefährte, den sie liebte, sondern er konnte wesentlich dazu beitragen, die Spuren zu verfolgen. Sie hoffte, daß er vor Einbruch der Dunkelheit wieder auftauchen würde, und fragte sich, ob sie den Weg zurückgehen sollte, den sie gekommen waren, um ihn zu suchen. Aber vielleicht war er auf der Jagd? Sie konnte ihn verfehlen. So groß ihre Ungeduld auch war, sie mußte auf ihn warten.
Sie versuchte an etwas zu denken, was sie tun könnte; doch es fiel ihr nichts ein. Die bloße Tatsache, daß man jemanden verletzen und fortschleppen konnte, war ihr so fremd, daß es ihr schwerfiel, diesen
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