Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
geboren wurdest. Ich werde nie wissen, bei wem ich geboren wurde. Meine Leute waren der Clan."
Aylas Gedanken kehrten sich nach innen, und Jondalar sah, wie ein sanftes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. "Iza wäre sehr glücklich gewesen, wenn sie hätte wissen können, daß ich mit dir gehe. Du hättest ihr auch gefallen. Schon lange bevor ich fortging, sagte sie mir, daß ich nicht zum Clan gehörte, obwohl ich mich an nichts und niemanden erinnern konnte außer daran, daß ich bei ihnen gelebt habe. Iza war meine Mutter, die einzige, die ich je gekannt habe, aber sie wollte, daß ich den Clan verließ. Sie hatte Angst um mich. Bevor sie starb, sagte sie zu mir: >Suche deine eigenen Leute, suche dir einen eigenen Gefährten.< Keinen Mann aus dem Clan, einen Mann, der so ist wie ich; jemanden, den ich lieben kann, der für mich sorgt. Aber in dem Tal war ich so lange allein, daß ich schon
nicht mehr glaubte, daß ich ihn jemals finden würde. Und dann bist du gekommen. Iza hat recht gehabt. So schwer mir der Abschied auch gefallen ist - ich mußte meine eigenen Leute finden. Wenn da nicht mein Sohn Durc gewesen wäre, könnte ich Broud fast dankbar sein, daß er mich zum Fortgehen gezwungen hat. Wenn ich beim Clan geblieben wäre, hätte ich niemals einen Mann gefunden, der mich liebt, oder einen, der mir so viel bedeutet."
"Wir sind gar nicht so verschieden voneinander, Ayla. Auch ich habe nicht geglaubt, daß ich jemanden finden würde, den ich lieben kann, obwohl ich bei den Zelpndonii viele Frauen kannte und wir auf unserer Reise noch viele weitere getroffen haben. Thonolan gewann rasch Freunde, selbst unter Fremden, und er hat mir vieles erleichtert." Er schloß für einen Moment gequält die Augen; die Erinnerung schmerzte, und der Kummer spiegelte sich auf seinem Gesicht. So oft Jondalar seinen Bruder erwähnte, konnte Ayla erkennen, daß er seinen Tod noch nicht verwunden hatte.
Sie betrachtete Jondalar, seinen hochgewachsenen, muskulösen Körper, sein langes, schlichtes, flachsblondes Haar, das er mit einem Riemen im Nacken zusammengebunden hatte, sein attraktives, gut geschnittenes Gesicht. Nachdem sie ihn beim Sommertreffen beobachtet hatte, bezweifelte sie, daß er seines Bruders Hilfe brauchte, um Freunde zu gewinnen; vor allem bei den Frauen hatte er leichtes Spiel, und er wußte, warum. Mehr noch als sein Körperbau und sein hübsches Gesicht waren es seine Augen, seine lebensvollen, leuchtend blauen Augen, die ihm eine magnetische Anziehungskraft verliehen und eine
Persönlichkeit, die so zwingend war, daß man sich ihr kaum entziehen konnte.
So war es auch jetzt, als er sie ansah. Aus seinen Augen sprachen Wärme und Verlangen. Sie spürte, wie ihr Körper schon auf die bloße Berührung dieser Augen reagierte. Sie dachte an die dunkelrote Mammutkuh, die sich all den anderen Bullen verweigert und darauf gewartet hatte, daß der große rostfarbene Bulle kam, und dann keine Minute mehr warten wollte; aber auch im Hinauszögern, in der Erwartung lag Genuß.
Sie liebte es, ihn anzusehen, ihn in sich aufzunehmen. Sie hatte gedacht, daß er schön war, als sie ihn das erste Mal zu Gesicht bekam, obwohl sie niemanden kannte, mit dem sie ihn hätte vergleichen können. Seither hatte sie begriffen, daß auch andere Frauen es liebten, ihn anzusehen, daß sie ihn für bemerkenswert attraktiv hielten, und daß es ihn verlegen machte, wenn man es ihm sagte. Sein gutes Aussehen hatte ihm mindestens ebenso viel Kummer wie Vergnügen bereitet, und daß er sich durch Eigenschaften auszeichnete, für die er nichts konnte, verschaffte ihm keinerlei Befriedigung. Sie waren Gaben der Großen Mutter, nicht das Ergebnis eigener Bemühung.
Aber die Große Erdmutter hatte es nicht bei seiner äußerer Erscheinung bewenden lassen. Sie hatte ihn mit einem scharfen und lebhaften Verstand ausgestattet, der sich in erster Linie auf das Erfühlen und Begreifen seiner Welt richtete, und mit einer natürlichen Geschicklichkeit. Ausgebildet von dem Mann, der zur Zeit seiner Geburt der Gefährte seiner Mutter gewesen war und als einer der Besten auf seinem Gebiet galt, war Jondalar zu einem tüchtigen Werkzeugmacher geworden, der auf seiner Reise sein handwerkliches Können durch das Lernen von anderen Steinschlägen noch gesteigert hatte.
Für Ayla jedoch war er nicht nur deshalb ein schöner Mann, weil er nach den Maßstäben seines Volkes überaus attraktiv war, sondern weil er, so weit ihre Erinnerung reichte,
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