Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
einmal eine Pritsche auf. Er konnte nur aufrecht stehen, wenn er sich genau in die Mitte stellte. Er ging gebückt an den Seiten des kleinen, dunklen Raumes entlang und sah, daß die Felle alt und an manchen Stellen so zerrissen waren, daß sie in Fetzen herunterhingen. Sie waren nur notdürftig und offensichtlich in aller Eile zusammengenäht worden. Die Säume wiesen Lücken auf, durch die er hindurchsehen konnte. Er setzte sich auf den Boden und beobachtete den Eingang der Hütte, der offenstand. Leute gingen vorbei; aber niemand trat ein.
Nach einer Weile verspürte er den Drang, Wasser zu lassen. Mit seinen gefesselten Händen konnte er nicht einmal sein Glied entblößen. Wenn nicht bald jemand käme, um ihm die Fesseln abzunehmen, würde er genötigt sein, seine Beinlinge zu durchnässen. Außerdem waren seine Handgelenke von den Stricken wundgescheuert. Er wurde wütend. Das war läch-erlich! Die Sache ging entschieden zu weit!
"He, ihr dort draußen!" rief er. "Warum werde ich hier fest-gehalten? Wie ein Tier in der Falle? Ich habe niemandem etwas getan." Er wartete eine Weile, dann begann er wieder zu rufen. "Kommt und bindet mich los! Was für Leute seid ihr, um alles in der Welt!"
Er stand auf und lehnte sich gegen das Gerüst. Es war solide gebaut, aber es gab ein wenig nach. Er trat zurück und warf sich mit der Schulter gegen die Zeltstangen. Sie gaben weiter nach, und er versuchte es nochmals. Mit einem Gefühl der Befriedigung hörte er, wie das Holz krachte. Er trat zurück, um einen weiteren Anlauf zu nehmen, als er Leute in die Erdhütte laufen hörte.
"Es wird Zeit, daß jemand kommt! Laßt mich hier raus! Laßt mich sofort hier raus!" rief er.
Er hörte, wie jemand die Riemen am Eingang löste. Dann wurde die Öffnungsklappe zurückgeschlagen, und er erblickte mehrere Frauen, die mit Speeren auf ihn zielten. Jondalar beachtete sie nicht und drängte sich durch den Eingang.
"Bindet mich los!" sagte er und drehte sich so zur Seite, daß sie seine auf dem Rücken gefesselten Hände sehen konnten. "Nehmt mir diese Stricke ab!"
Der ältere Mann, der ihm den Wasserbeutel gereicht hatte, trat vor. "Zelandonii! Du ... weit... fort", sagte er, indem er offensichtlich versuchte, sich einzelne Wörter ins Gedächtnis zu rufen.
Jondalar hatte in seinem Zorn nicht bemerkt, daß er in seiner Muttersprache geredet hatte. "Du sprichst Zelandonii?" fragte er überrascht. Aber zuerst mußte er seinem dringenden Bedürfnis nachkommen. "Dann sag ihnen, sie sollen mich losbinden, bevor ich mich überall naß mache!"
Der Mann sprach mit einer der Frauen. Sie antwortete, schüttelte den Kopf; aber er redete nochmals auf sie ein. Schließlich zog sie ein Messer aus einer Scheide an ihrer Hüfte, und nach einem Befehl, der die anderen Frauen mit erhobenen Speeren nähertreten ließ, ging sie auf ihn zu und bedeutete ihm, sich umzudrehen. Er kehrte ihr den Rücken zu und wartete, während sie mühsam versuchte, die Fesseln zu durchschneiden. Was sie hier brauchen, ist ein guter Feuersteinschläger, dachte er. Ihr Messer ist stumpf.
Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, fühlte er, wie die Stricke sich lösten. Sofort griff er nach der Klappe, die seine Beinlinge verschloß. Zu bedrängt, um dem Gefühl der Verlegenheit Raum zu geben, zog er sein Glied heraus und suchte verzweifelt nach einer Ecke oder einem verschwiegenen Ort, um sich zu erleichtern. Aber die speertra-genden Frauen gestatteten ihm nicht, sich fortzubewegen. Zornig und entrüstet stellte er sich absichtlich so hin, daß er ihnen ins Gesicht sah, und gab mit einem befreiten Aufstöhnen seinem Bedürfnis nach.
Er beobachtete sie, während der Strahl langsam seine Blase leerte, dampfend auf den Boden schlug und einen strengen Geruch aufsteigen ließ. Die Frau, die den Befehl über die anderen hatte, schien entsetzt zu sein, obwohl sie versuchte, es nicht zu zeigen. Ein paar Frauen wandten den Kopf ab oder schlugen die Augen nieder; andere schauten fasziniert zu, als hätten sie noch nie einen Mann so unverhüllt vor sich gesehen. Der ältere Mann versuchte, nicht zu lächeln, konnte aber seine Heiterkeit nicht verbergen.
Als Jondalar fertig war, sah er seine Peiniger an, entschlossen, sich nicht wieder fesseln zu lassen. Er wandte sich dem Mann zu. "Ich bin Jondalar von den Zelandonü und befinde mich auf einer Reise."
"Deine Reise weit, Zelandonü. Vielleicht... zu weit."
"Ich bin viel weiter gereist. Ich habe den letzten
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