Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Pferden. Sie ließ sich auf die Knie nieder und legte einen Arm um Wolfs Hals, um ihn ruhig zu halten. Dann wartete sie.
Ihre Vermutung war richtig. Nach kurzer Zeit gingen zwei junge Frauen vorbei, die offensichtlich zum Fluß wollten. Sie gab Wolf ein Zeichen zu bleiben, wo er war, und schlich - wie sie es gelernt hatte, als sie Raubtieren nachstellte - durch das dichte Gras hinter den beiden Frauen her. Dann verbarg sie sich hinter einem Gebüsch, um sie zu beobachten.
Die beiden Frauen redeten miteinander, als sie das Floß losbanden, und obgleich ihr die Sprache fremd war, bemerkte Ayla eine gewisse Ähnlichkeit mit Mamutoi. Sie verstand nicht, was gesprochen wurde; aber sie glaubte, die Bedeutung von zwei, drei Wörtern zu erfassen.
Die Frauen schoben das Floß ins Wasser, dann holten sie zwei lange Stangen hervor, die an der Unterseite der hölzernen Plattform befestigt gewesen waren. Sie banden ein Ende eines langen Taus an einen Baum; dann bestiegen sie das Floß. Während die eine es über den Fluß stakte, ließ die andere das Tau durch die Hände laufen. Als sie sich dem anderen Ufer genähert hatten, wo die Strömung nicht mehr so , stark war, begannen sie, stromaufwärts zu staken, bis sie den Anlegeplatz erreichten. Mit Stricken, die an der Seite des Floßes angebracht waren, banden sie es an den aus dem. Wasser ragenden Pfählen fest und sprangen auf die am Ufer liegenden Baumstämme.
Dann begannen sie, den Weg zurückzugehen, auf dem Ayla am Vortag gekommen war. Als sie wieder zu den Tieren ging, überlegte sie, was sie tun sollte. Sie war überzeugt, daß die beiden Frauen bald zurückkehren würden - aber das konnte heute, morgen oder übermorgen sein. Sie wollte Jondalar so schnell wie möglich finden, aber sie durfte sich nicht der Gefahr aussetzen, weiter der Fährte zu folgen und von den beiden eingeholt zu werden. Solange sie nicht mehr über sie wußte, konnte sie es auch nicht darauf ankommen lassen, sie direkt anzusprechen. Sie entschloß sich, einen Platz zu suchen, an dem sie sie erwarten und beobachten konnte, ohne von ihnen gesehen zu werden.
Sie brauchte nicht allzulange zu warten. Am Nachmittag sah sie die beiden Frauen in Gesellschaft mehrerer anderer zurückkommen, die Fleischstücke von geschlachteten Pferden trugen. Trotz ihrer Last bewegten sie sich erstaunlich schnell. Als sie näher kamen, bemerkte Ayla, daß sich nicht ein einziger Mann unter ihnen befand. Alle Jäger waren Frauen! Sie beobachtete, wie sie das Fleisch auf das Floß luden, mit dem sie dann über den Fluß stakten, indem sie das Tau als Führungsseil benutzten. Nachdem sie es entladen hatten, versteckten sie das Floß wieder im Gebüsch, ließen jedoch das Tau über den Fluß gespannt.
Sie schulterten die Fleischstücke und begannen, den Pfad zurückzugehen. Ehe Ayla es sich versah, waren sie ver-schwunden. Sie wartete eine Zeitlang, bevor sie ihnen in sicherem Abstand folgte.
Jondalar war entsetzt über die Zustände, die er innerhalb des Palisadenzaunes antraf. Das einzige Bauwerk war - abgesehen von der Palisade selbst, die den Wind abhielt - ein ziemlich großer, roh zusammengezimmerter Schuppen, der halbwegs Schutz vor Regen und Schnee bot. Es gab kein Feuer, wenig Wasser und keinerlei Lebensmittel. Alle Bewohner des Pferches waren Männer, denen man die Folgen der erbärmlichen Zustände ansah. Als sie aus dem Schuppen kamen und ihn anstarrten, sah er, daß sie abgemagert, schmutzig und
schlecht gekleidet waren. Keiner von ihnen war dem Wetter entsprechend angezogen, und sie mußten sich wahrscheinlich im Schuppen eng aneinanderkauern, um sich gegenseitig zu wärmen.
Er erkannte zwei, drei Leute wieder, die er bereits beim Begräbnis gesehen hatte, und fragte sich, warum die Männer und Knaben an einem solchen Ort lebten. Plötzlich kamen mehrere verwirrende Dinge zusammen: das herrische Auftreten der mit Speeren bewaffneten Frauen; die seltsamen Bemerkungen Ardemuns; das Verhalten der Männer, die der Bestattung beigewohnt hatten; die Zurückhaltung S'Annu-nas; die späte Versorgung der Wunde - und vor allem die Art, in der man mit ihm umgegangen war. Vielleicht handelte es sich gar nicht um ein Mißverständnis!
Die Schlußfolgerung, die sich ihm aufdrängte, erschien ihm zwar völlig grotesk, aber so zwingend, daß er sich fragte, weshalb er nicht eher darauf gekommen war. Die Männer wurden gegen ihren Willen von den Frauen festgehalten!
Aber warum? War es nicht schiere Vergeudung,
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