Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
erschöpft war. Sie entschloß sich. Rast zu machen, damit er sich ausruhen konnte und die Pferde Zeit hatten, zu grasen.
Kurz nachdem sie sich wieder auf den Weg gemacht hatten, gelangten sie zu einer Flußgabelung. Ayla hatte vorher zwei kleinere, vom Plateau herabströmende Bäche ohne Schwierigkeiten durchquert; doch sie wußte nicht, ob sie den Fluß überqueren sollte. Sie hatte die Fährte seit einiger Zeit aus den Augen verloren und fragte sich, ob sie der östlichen Gabelung oder nach dem Übergang der westlichen Abzweigung folgen sollte. Sie hielt sich eine Weile an das östliche Ufer und versuchte, die Fährte wiederzufinden. Erst kurz vor Einbruch der Nacht entdeckte sie etwas Ungewöhnliches, das ihr klar zeigte, welchen Weg sie nehmen mußte.
Trotz der Dämmerung erkannte sie, daß die Pfähle, die aus dem Wasser ragten, absichtlich dort errichtet worden waren. Sie waren unweit einiger am Ufer liegender Baumstämme in das Flußbett gerammt worden. Von den Sharamudoi wußte sie, daß es sich um einen primitiven Anlegeplatz für irgendein Wasserfahrzeug handeln mußte. Ayla schickte sich an, daneben ihr Lager aufzuschlagen; dann änderte sie ihren Sinn. Sie wußte nichts über die Leute, denen sie folgte - nur, daß sie Jondalar verwundet hatten und mit sich schleppten. Sie wollte nicht von ihnen im Schlaf überrascht werden. Sie entschied sich für einen Lagerplatz hinter einer Biegung des Flusses.
Am Morgen unterzog sie Wolf einer gründlichen Untersu-chung. Obgleich der Fluß nicht sehr breit war, war das Wasser kalt und tief, und das Tier würde schwimmen müssen. Die verletzte Stelle über den Rippen war noch druckempfindlich, doch es ging ihm viel besser, und er entwand sich rasch ihren
Händen. Er schien ebenso ungeduldig zu sein, Jondalar zu finden, wie sie selbst.
Wie schon bei früherer Gelegenheit entschloß sie sich, ihre Beinlinge auszuziehen, bevor sie auf Winnies Rücken stieg. Zu ihrer Überraschung zögerte Wolf nicht, ins Wasser zu gehen. Anstatt am Ufer hin- und herzulaufen, sprang er sofort in den Fluß und schwamm hinter ihr her, als wollte er sie genausowenig aus den Augen lassen wie sie ihn.
Als sie das andere Ufer erreichten, trat Ayla beiseite, um nicht naß zu werden, als Wolf sich das Wasser aus dem Fell schüttelte, und zog ihre Beinlinge an. Nachdem sie das Tier vorsichtshalber noch einmal abgetastet hatte, begann sie nach der Fährte zu suchen. Etwa hundert Schritte stromabwärts entdeckte Wolf zwischen einigen nahe am Ufer wachsenden Büschen das Wasserfahrzeug, für das der Anlegeplatz gebaut worden war. Es dauerte freilich eine Weile, ehe sie es als das erkannte, was es war.
Sie hatte angenommen, daß die Leute ein Boot benutzen würden wie die Boote der Sharamudoi - kunstvoll gefertigte Einbäume mit anmutig gebogenem Bug und Achtersteven - oder wie das einfachere, aber handliche Rundboot, das sie und Jondalar mit sich rührten. Aber was Wolf aufstöberte, waren zu einer Plattform zusammengebundene Baumstämme. Sie hatte noch nie vorher ein Floß gesehen, doch sobald sie begriffen hatte, wozu es diente, fand sie es recht praktisch. Wolf beschnüffelte neugierig das roh zusammengefügte, seltsame Gebilde. Als er zu einer bestimmten Stelle kam, blieb er stehen. Ein tiefes Grollen stieg aus seiner Kehle auf.
"Was ist los, Wolf?" fragte Ayla. Als sie näher hinsah, entdeckte sie einen bräunlichen Fleck auf einem der Stämme. Es war getrocknetes Blut, wahrscheinlich Jondalars Blut. Sie fuhr mit der Hand über den Kopf des Wolfes. "Wir werden ihn finden", sagte sie, mehr, um sich selbst, als um das Tier zu beruhigen. Aber würden sie ihn auch lebend finden?
Die Fährte rührte vom Floß zwischen hohen, trockenen Gräsern und vereinzelten Büschen hindurch und war jetzt wesentlich
leichter auszumachen. Sie war jedoch so ausgetreten, daß Ayla nicht mehr sicher sein konnte, ob sie von denen hinterlassen worden war, die sie verfolgte. Wolf lief ihr voran. Nach kurzer Zeit blieb er abrupt stehen, zog die Oberlippe hoch und entblößte knurrend die Zähne.
"Wolf? Was ist? Kommt jemand?" fragte Ayla. Im gleichen Augenblick veranlaßte sie Winnie durch einen Schenkeldruck, vom Pfad abzuweichen. Sie trieb die Stute auf ein in der Nähe stehendes Gestrüpp zu und gab Wolf ein Zeichen, ihr zu folgen. Sobald sie den Schutz des Unterholzes erreicht hatten, stieg sie ab, ergriff Renners Leitseil, um ihn hinter die Stute zu führen, und versteckte sich selbst zwischen den
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