Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
haben es nicht einmal versucht", sagte Ayla. "Vielleicht sind die Frauen deshalb weniger wachsam geworden. Viele von ihnen, selbst einige der Jägerinnen, wollen nicht mehr, daß die Männer dort eingesperrt werden. Aber sie haben Angst vor Attaroa." Ayla hielt Winnie an. "Hier ist mein Lager", sagte sie.
Wie zur Bestätigung begrüßte sie Renner mit einem Wiehern, als sie eine kleine Lichtung betraten. Der junge Hengst war an einem Baum angebunden. Ayla hatte jeden Abend ein provisorisches Lager inmitten des Wäldchens aufgeschlagen; aber sie hatte am Morgen alles auf Renners Rücken gepackt, um sofort aufbrechen zu können, falls es sich als nötig erweisen sollte.
"Wie hast du es nur geschafft, beide vor dem Absturz über die Klippe zu bewahren?" fragte Jondalar. "Ich hatte Angst, dich danach zu fragen. Das letzte, an das ich mich erinnere, bevor ich ohnmächtig wurde, war, daß du auf Renners Rücken saßest und Schwierigkeiten hattest, ihn zu bändigen."
"Ich mußte mich an die Zügel gewöhnen, das war alles. Wirk-lich gefährlich war nur der andere Hengst; aber der ist jetzt tot, und es tut mir leid um ihn. Winnie kam auf meinen Pfiff, als sie aufhörten, sie von mir abzudrängen", sagte Ayla.
Renner freute sich, Jondalar zu sehen. Er senkte den Kopf und warf ihn schnaubend in die Höhe. Er wäre auf. den Mann zugegangen, wenn er nicht angebunden gewesen wäre. Er spitzte die Ohren und hob den Schweif; dann senkte er den Kopf, um seine Nüstern in die Hand des Mannes zu legen. Jondalar begrüßte den Hengst wie einen Freund, den wiederzusehen er nicht mehr gehofft hatte. Er umarmte und beklopfte ihn und sprach mit dem Tier.
Er zog die Brauen zusammen, als er an eine andere Frage dachte, die er fast nicht zu stellen wagte. "Was ist mit Wolf?"
Ayla lächelte; dann pfiff sie auf eine Weise, die Jondalar nicht kannte. Wolf kam aus dem Unterholz gesprungen, rannte schwanzwedelnd und aufgeregt fiepend auf Jondalar zu; dann sprang er ihn an, legte ihm seine Pfoten auf die Schultern und fuhr ihm mit der Zunge über das Gesicht.
"Das hat er noch nie gemacht", sagte Jondalar überrascht. "Er hat dich vermißt. Ich glaube, er war genau so ungeduldig, dich zu finden, wie ich selber. Ohne ihn hätte ich deine Spur überhaupt nicht verfolgen können. Wie sind ziemlich weit vom Großen Mutter Fluß entfernt und mußten etliche Strecken mit hartem Felsboden überwinden, auf dem keine Fußabdrücke mehr zu sehen waren. Aber er hat sie immer wieder aufgespürt", sagte Ayla.
"Und er hat die ganze Zeit dort im Unterholz gewartet, um nur auf dein Zeichen herauszukommen? Es muß schwer gewesen sein, ihm das beizubringen. Aber warum hast du das getan?"
"Er mußte lernen, sich zu verstecken, weil ich nicht wußte, ob
jemand herkommen würde. Außerdem wollte ich nicht, daß sie von ihm wußten. Sie essen Wolfsfleisch."
"Wer ißt Wolfsfleisch?" fragte Jondalar und rümpfte angewidert die Nase.
"Attaroa und ihre Jägerinnen."
"Sind sie derart ausgehungert?" fragte Jondalar.
"Vielleicht waren sie es einmal, aber jetzt ist es ein Ritual geworden. Ich habe sie eines Abends beobachtet. Sie nahmen eine junge Jägerin in ihr Wolfsrudel auf. Sie halten es vor den anderen Frauen geheim und suchen einen besonderen Platz auf, ziemlich weit weg von den Hütten. Sie hatten einen lebenden Wolf in einem Käfig und töteten ihn. Dann schlachteten sie ihn aus, kochten das Fleisch und aßen es. Sie glauben wahrscheinlich, daß sie auf diese Weise die Kraft und Schlauheit des Wolfes erlangen. Es wäre besser, wenn sie sich darauf beschränkten, die Wölfe zu beobachten. Sie würden mehr daraus lernen", sagte Ayla.
Kein Wunder, daß sie die Wolfsfrauen und ihre Jagdkünste ablehnte, dachte Jondalar. Die Initiationsriten bedrohten das Tier, das ihr so ans Herz gewachsen war. "Deshalb hast du ihm beigebracht, sich versteckt zu halten, bis du ihn rufst? Er hört dann auf diesen neuen Pfiff, nicht wahr?"
"Ja. Aber selbst wenn er sich versteckt hält, mache ich mir Sorgen um ihn. Auch um Winnie und Renner. Soweit ich es gesehen habe, töten Attaroas Frauen nur Pferde und Wölfe", sagte sie.
"Du hast eine Menge über sie in Erfahrung gebracht, Ayla", sagte Jondalar.
"Ich mußte alles in Erfahrung bringen, was ich wissen mußte, um dich herauszuholen", sagte sie. "Aber vielleicht habe ich dabei zuviel erfahren."
"Zuviel? Wieso hast du zuviel erfahren?"
"Als ich dich gefunden hatte, habe ich zuerst nur daran gedacht, dich herauszuholen
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