Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Waffen umgehen kann, wird kaum verstehen können, wie schwer wir es hatten, als niemand von uns jagen konnte. Die Nahrung war heilig. Wir haben alle Hunger gelitten."
"Aber die Große Mutter bietet ihren Kindern mehr als Fleisch. Sicher kennen die Frauen hier die Nahrung, die überall wächst und nur gesammelt zu werden braucht", sagte Ayla.
"Gerade das mußte ich verbieten! Wenn ich zugelassen hätte, daß sie ihre Zeit mit Pflanzensammeln verbringen, hätten sie nie jagen gelernt."
"Dann habt ihr den Mangel euch selbst zuzuschreiben. Das ist kein Grund, Leute zu töten, die eure Sitten nicht kennen", sagte Ayla. "Du hast dir Rechte angemaßt, die allein der Mutter zukommen. Es ist nicht an dir, ihre Stelle einzunehmen."
"Alle Leute haben Sitten und Gebräuche, die für sie wichtig sind. Und wenn sie gebrochen werden, muß das bestraft werden - manchmal mit dem Tod", sagte Attaroa.
Das war wahr; Ayla wußte es aus eigener Erfahrung. "Aber warum sollten eure Sitten nach der Todesstrafe verlangen, wenn jemand nichts zu essen hat?" sagte Ayla. "Das, was die Mutter will, muß über allem anderen stehen. Sie fordert, die Nahrung zu teilen und Besucher gastfreundlich aufzunehmen. Du bist unhöflich und ungastlich, Attaroa."
Unhöflich und ungastlich! Jondalar mußte sich beherrschen, um nicht laut aufzulachen. Eher mörderisch und unmenschlich! Er hatte aufmerksam zugehört und lächelte über Aylas Unter-treibung.
Attaroa war offensichtlich verärgert. Sie hatte die Spitze in Aylas höflicher Kritik verstanden. Sie war wie ein Kind ausgescholten worden. Sie hätte es lieber gesehen, als böse bezeichnet zu werden, als Frau, die man respektiert und fürchtet. Die Milde der Anschuldigungen ließ sie lächerlich erscheinen. Attaroa bemerkte Jondalars amüsierte Miene und blickte ihn haßerfüllt an. Sie fühlte, daß jeder der Anwesenden gern mit ihm gelacht hätte. Es sollte ihm noch leid tun, schwor sie sich, ihm und der Frau.
Ayla richtete sich auf Winnies Rücken auf und nahm die Speerschleuder fester in die Hand.
"Ich glaube, Jondalar braucht seine Kleider", fuhr sie fort, indem sie den Speer leicht anhob, ohne offen mit ihm zu
drohen. "Vergiß nicht seine Felljacke, die du gerade trägst. Und vielleicht solltest du jemanden in deine Hütte schicken, um seinen Gürtel, seine Fäustlinge, seinen Wasserbeutel, sein Messer und die Werkzeuge zu holen, die er bei sich hatte." Sie wartete S'Armunas Übersetzung ab.
Attaroa lächelte wieder zwischen zusammengebissenen Zähnen, aber es war mehr eine Grimasse. Sie nickte Epadoa zu. Mit dem linken Arm, der nicht verletzt war - Epadoa hatte außerdem eine blaue Stelle am Bein, wo Jondalar sie getreten hatte -, raffte die Frau, die Attaroas Wölfe anführte, die Kleider vom Boden auf, die sie dem Mann mit soviel Mühe ausgezogen hatten, und ließ sie vor ihm fallen. Dann ging sie in die große Erdhütte.
Während sie warteten, ergriff Attaroa wieder das Wort. Sie versuchte, einen freundlicheren Ton anzuschlagen. "Du bist weit gereist, du mußt müde sein - wie war noch dein Name? Ayla?"
Die Frau auf dem Pferd nickte; sie verstand gut genug, was in Attaroa vorging. Diese Anführerin macht sich wenig aus förmlichen Vorstellungen, dachte sie; sie ist nicht sehr feinfühlig.
"Da du der Sache eine solche Bedeutung beimißt, mußt du mir erlauben, die Gastfreundschaft auf meine Hütte auszudehnen. Ihr bleibt bei mir, nicht wahr?"
Bevor Ayla oder Jondalar antworten konnte, trat S'Armuna vor. "Ich glaube, es ist üblich, Gästen einen Platz bei Der, Die Der Mutter Dient, anzubieten. Ihr seid eingeladen, meine Hütte mit mir zu teilen."
Während Attaroa zuhörte und auf die Übersetzung wartete, zog Jondalar seine Beinlinge an. Er hatte vorher, als sein Leben unmittelbar bedroht war, nicht auf die Kälte geachtet, aber seine Finger waren so steifgefroren, daß er Mühe hatte, die zerschnittenen Schnüre seiner Kleidungsstücke zusammen-zuknoten. Obwohl sein Kittel zerrissen war, war er froh, ihn wiederzuhaben. Er sah überrascht auf, als er S'Armunas Angebot vernahm, und bemerkte, daß Attaroa die Schamanin finster anblickte. Dann setzte er sich auf den Boden, um seine Stiefel anzuziehen.
Sie wird noch von mir hören, dachte Attaroa, aber sie sagte: "Dann mußt du mir gestatten, das Mahl mit mir zu teilen, Ayla. Wir werden ein Festmahl ausrichten, und ihr seid meine Ehrengäste." Sie schloß Jondalar in ihren Blick ein. "Wir haben eine erfolgreiche Jagd gehabt, und
Weitere Kostenlose Bücher