Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
hatten, wurde der Eisfluß schmaler. Am westlichen Ende der Ebene tauchte wieder ein Schlucht auf. Sie kletterten auf den felsigen Kamm und spähten in die Richtung, in die sie weiterziehen mußten. Der Ausblick erschreckte sie. Vor ihnen hatte sich der Fluß wieder einmal geteilt. Sie wußte nicht, daß er sich zum letzten Mal in diese Arme und Kanäle verzweigte, die seinen langen Lauf durch die Tiefebenen hindurch gekenn-zeichnet hatten. Die Schlucht am Rand der Ebene machte an der Stelle, an der sich die einzelnen Wasserläufe vereinten, eine scharfe Biegung und erzeugte einen rasenden Strudel, der Eis und Geröll in die Tiefe zog und dann, weiter flußabwärts, ausspie, wo alles schnell wieder zufror.
Sie standen auf dem Gipfel, sahen hinunter und beobachteten, wie ein kleiner Baumstamm sich immer wieder um den Wirbel drehte und in Spiralen tiefer und tiefer sank.
"Da möchte ich nicht hineinfallen", sagte Ayla und schauderte bei dem Gedanken. "Ich auch nicht", erwiderte Jondalar. Aylas Blick wanderte zu einer anderen Stelle in der Ferne. "Wo kommen die Dampfwolken dort drüben her, Jondalar?" fragte sie. "Es friert, und die Berge sind mit Schnee bedeckt."
"Dort gibt es Teiche mit heißem Wasser - Wasser, das Donis heißer Atem erwärmt. Manche Leute haben Angst, in die Nähe solcher Orte zu gehen; doch die Menschen, die ich besuchen will, leben an einem tiefen, heißen Brunnen; das sagten sie mir jedenfalls. Die heißen Brunnen sind heilige Stätten, auch wenn manche gar nicht gut riechen. Man sagt, sie heilen Krankheiten."
"Wie weit ist es noch bis zu den Leuten, die du kennst? Zu denen, die Wasser für die Heilung von Krankheiten benutzen?" fragte sie. Alles, was ihre medizinischen Kenntnisse bereichern konnte, erregte ihr Interesse. Außerdem wurden die Lebens-mittel knapper, sie hatten sich nicht mehr genügend Zeit zum Sammeln genommen - seit ein paar Tagen waren sie hungrig schlafen gegangen.
Nach der letzten flachen Mulde begann das Land spürbar anzu-steigen. Von beiden Seiten drangen Hochland und Berge auf sie ein. Der Eismantel im Süden wurde höher, als sie westwärts weiterzogen. Weit im Süden ragten zwei Gipfel über all die anderen zerklüfteten Bergspitzen empor, einer höher als der andere, wie ein verheiratetes Paar, das über seine Kinderschar wacht.
Wo das Hochland an einer seichteren Flußstelle flacher wurde, verließ Jondalar den Wasserlauf, bog nach Süden ab und ritt auf eine in der Ferne aufsteigende Dampfwolke zu. Sie kletterten einen niedrigen Grat hinan und sahen von oben über schneebedecktes Grasland auf einen dampfenden Wasserteich, an dessen Ufer sich eine Höhle befand.
Mehrere Leute hatten sie näherkommen sehen und starrten sie an, wie gelähmt vor Schreck. Ein Mann jedoch zielte mit einem Speer auf sie.
35. KAPITEL
"Wir sollten lieber absitzen und zu Fuß weitergehen", sagte Jondalar; er hatte bemerkt, daß immer mehr speertragende Männer und Frauen argwöhnisch herbeikamen. "Schließlich wissen wir, daß man Menschen Angst und Mißtrauen einflößt, wenn man auf Pferden reitet. Wir hätten zuerst zu Fuß gehen und ihnen das mit den Tieren erklären sollen."
Sie saßen beide ab, und Jondalar dachte plötzlich an seinen >kleinen Bruder< Thonolan, wie er mit seinem breiten, freund-lichen Grinsen zuversichtlich auf fremde Höhlen oder Lager zugegangen war. Er nahm diese Erinnerung als ein Zeichen, grinste breit, winkte freundlich, zog die Kapuze seines Um-hanges zurück, damit man ihn besser sehen konnte, und ging mit nach oben gekehrten Handflächen und ausgestreckten Armen auf sie zu, was heißen sollte, daß er ohne Arg gekom-men war und nichts zu verbergen hatte.
"Ich suche Laduni von den Losadunai. Ich bin Jondalar von den Zelandonii", sagte er. "Mein Bruder und ich wanderten vor ein paar Jahren nach Osten, und Laduni lud uns ein, auf dem Rückweg wieder vorbeizukommen."
"Ich bin Laduni", sagte ein Mann in der Sprache der Zelandonii mit leichtem Akzent. Er ging auf sie zu, hielt seinen Speer in Bereitschaft und betrachtete sie eingehend, um sich zu verge-wissern, daß der fremde Mann auch wirklich der war, für den er sich ausgab. "Jondalar? Von den Zelandonii? Ja, du gleichst dem Mann, den ich getroffen habe."
Jondalar spürte den vorsichtigen Ton. "Weil ich es bin! Schön, dich zu sehen. Laduni", sagte er herzlich. "Ich wußte nicht, ob ich an der richtigen Stelle abgebogen bin. Ich bin den ganzen Weg bis zum Ende des Großen Mutter Flusses
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