Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Losaduna.
"Eine Klinge. Ich hatte noch keine Zeit, sie mit einem Griff zu versehen, aber sonst ist es so ein gutes Stück, wie ich es nur machen konnte", sagte Jondalar und zog ein Lederpäckchen aus seinem Kittel. Er öffnete es, um eine kleine Steinspitze
hervorzuholen, die scharf genug zum Rasieren war. Das eine Ende war zu einer Spitze geformt, das andere hatte einen Zapfen, den man in einen Messergriff einpassen konnte.
Losaduna betrachtete das Werkzeug genau. "Vorzügliche Arbeit", bemerkte er. "Das wird ganz sicher gehen."
Jondalar seufzte erleichtert. Er hatte nicht gedacht, daß ihm die Sache so naheging.
"Und etwas von ihr?"
"Das war nicht so leicht. Die meiste Zeit sind wir nur mit dem Allernötigsten gereist, und sie weiß, wo sie ihre wenigen Sachen aufbewahrt. Ein paar Dinge, zumeist Geschenke, hat sie weggepackt, und die wollte ich nicht durcheinanderbringen. Aber dann fiel mir ein, daß du gesagt hast, es könnte auch ein ganz kleiner Gegenstand aus ihrem Besitz sein", sagte Jondalar und nahm etwas aus dem Lederpäckchen. "Sie trägt ein Amulett, einen kleinen, verzierten Beutel, in dem sie Dinge aus ihrer Kindheit aufbewahrt. Es bedeutet ihr sehr viel, und sie legt es nur ab, wenn sie zum Schwimmen oder Baden geht. Sie ließ es zurück, als sie in die heiligen Quellen tauchte, und ich habe eine der Schmuckperlen abgeschnitten."
Losaduna lächelte. "Gut! Das ist genau das Richtige! Ich habe das Amulett gesehen, es scheint für sie sehr wichtig zu sein. Wickle beides zusammen wieder ein und gib mir das Päckchen."
Jondalar gehorchte, doch Losaduna bemerkte ein fragendes Stirnrunzeln, als er ihm die Sachen übergab.
"Ich kann dir nicht sagen, wohin ich das bringe, aber die Mutter wird es wissen. Nun muß ich dir einige Dinge erklären und ein paar Fragen stellen", sagte Losaduna.
Jondalar nickte. "Ich werde versuchen, sie zu beantworten." .
"Du willst, daß ein Kind von Ayla an deinem Herdfeuer geboren wird, richtig?"
"Ja."
"Aber du weißt, daß solch ein Kind auch von einem anderen Geist sein kann?"
"Ja."
"Wie denkst du darüber? Ist es für dich wichtig, von wessen Geist das Kind sein wird?"
"Ich hätte gern ein Kind meines Geistes - wenn es geht. Aber vielleicht ist mein Geist nicht stark genug, oder die Mutter kann oder will ihn nicht gebrauchen. Niemand kann ganz sicher sein, wessen Geist im Spiele war; doch wenn Ayla ein Kind meines Herdfeuers zur Welt bringt, wäre ich zufrieden. Ich glaube, ich würde fast selbst wie eine Mutter fühlen", sagte Jondalar mit fester Überzeugung.
Losaduna nickte. "Gut. Heute nacht ehren wir die Mutter; der Augenblick ist günstig. Du weißt, daß die Frauen, die die Mutter am meisten ehren, auch am häufigsten gesegnet werden. Ayla ist eine schöne Frau und wird leicht einen Mann finden, der die Wonnen mit ihr teilen will."
Doch nun sah der Eine, Der Der Mutter Diente, Jondalar die Stim runzeln, und ihm wurde klar, daß Jondalar zu denen gehörte, die die Frau, die sie erwählt hatten, keinem anderen Mann - auch nicht für eine Zeremonie - überlassen würden. "Du mußt sie ermutigen, Jondalar. Es ehrt die Mutter, und es ist wichtig, wenn du von Ayla ein Kind deines Herdfeuers haben willst. Ich habe es oft beobachtet. Viele Frauen werden unmittelbar danach schwanger. Vielleicht freut sich die Mutter auch so sehr über dich, daß sie deinen Geist wählt, besonders wenn du sie geziemend ehrst."
Jondalar schloß die Augen und nickte; doch Losaduna sah, daß er die Zähne zusammenbiß. Es würde nicht leicht für ihn werden.
"Sie hat noch nie an einem Fest zu Ehren der Mutter teil-genommen. Wenn sie nun keinen anderen will?" fragte Jon-dalar. "Soll ich sie zurückweisen?"
"Du mußt ihr Mut machen, sich mit anderen zusammenzutun; aber das ist natürlich ihre Sache. Wenn irgend möglich, darfst du beim Fest der Mutter keine Frau zurückweisen, vor allem nicht die von dir erwählte Gefährtin. Ich würde mir da keine Sorgen machen, Jondalar. Die meisten Frauen kommen in Stimmung und genießen das Fest der Mutter", sagte Losaduna. "Seltsam allerdings, daß Ayla nicht dazu erzogen wurde, die Mutter zu erkennen. Ich wußte gar nicht, daß es Menschen gibt, die sie nicht verehren."
"Die Leute, bei denen sie aufwuchs, waren in mancher Hinsicht anders."
"Davon bin ich überzeugt", sagte Losaduna. "Nun laß uns die Mutter fragen."
Frag die Mutter. Frag die Mutter. Der Satz ließ Jondalar nicht mehr los, als sie zur hinteren Wand des Zeremonienraumes
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