Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
beeilen", sagte er und fing fast an zu rennen. Sie nickte und hielt mit ihm Schritt.
Um die Mittagszeit war der Himmel klar, und die frische Brise, die ihnen ins Gesicht wehte, war fast wohltuend warm. Der Wind nahm zu und verlangsamte ihre Schritte. Und seine Wärme, die über die kalte Eisfläche fegte, war eine tödliche Liebkosung. Die trockenen Schneewehen wurden naß und klebrig. In kleinen Mulden auf der Oberfläche bildeten sich Wasserpfützen. Sie vertieften sich und nahmen eine satte, blaue Farbe an, die aus dem Zentrum des Eises zu leuchten schien, aber Ayla und Jondalar hatten weder Zeit noch Sinn für ihre Schönheit. Daß die Pferde nun reichlich Wasser fanden, war kein Trost mehr.
Leichte Nebelschwaden stiegen auf und blieben dicht am Boden, der frische, warme, südliche Wind fegte sie weg, noch bevor sie höher aufsteigen konnten. Jondalar nahm einen langen Speer, um sich den Weg zu ertasten, und Ayla hielt mühsam mit seinem Eiltempo schritt. Sie wünschte, sich auf Winnies Rücken schwingen und davonreiten zu können, doch im Eis taten sich mehr und mehr Risse auf. Inzwischen war Jondalar fast sicher, daß der Horizont nähergerückt war, doch der Bodennebel konnte über Entfernungen täuschen.
Rinnsale flössen über die Eisoberfläche, verbanden die Pfützen und machten den Untergrund tückisch. Sie platschten durch das Wasser und fühlten, wie seine eisige Kälte ihre Stiefel aufweichte. Plötzlich rutschte wenige Schritte vor ihnen ein großes Stück scheinbar festen Eises weg und gab einen gähnenden Abgrund frei. Wolf winselte und heulte, die Pferde scheuten und wieherten angsterfüllt. Jordalar ging am Rand der Spalte entlang, um einen Weg um sie herum zu finden.
"Jondalar, ich kann nicht weiter. Ich bin am Ende. Ich muß eine Pause machen", sagte Ayla schluchzend, dann fing sie an zu weinen. "Wir schaffen das nie."
Er hielt an, kam zurück und tröstete sie. "Willst du hier bleiben?" fragte er.
Ayla holte tief Luft. "Nein, natürlich nicht. Ich weiß nicht, warum ich so heule. Wenn wir hierbleiben, werden wir sicher sterben."
Jondalar bahnte sich seinen Weg um den großen Riß herum, doch als sie wieder nach Süden zogen, waren die Winde so stark wie sonst nur die aus dem Norden und fühlbar wärmer. Kreuz und quer über das Eis wurden Rinnsale zu Bächen, schwollen Bäche zu Flüssen an. Sie arbeiteten sich um zwei weitere große Spalten herum, dann konnten sie weit über das Eis blicken. Die letzten Meter rannten sie und sahen hinunter.
Sie hatten die andere Seite des Gletschers erreicht.
Etwas weiter unten brach ein milchigtrüber Wasserfall, Gletschermilch, aus dem Grund des Eises hervor. In der Ferne, unterhalb der Schneegrenze, lag eine dünne Decke spärlichen Grüns.
"Möchtest du hier haltmachen und eine Weile ausruhen?" fragte Jondalar.
"Ich will nur von diesem Eis herunter. Wir können ausruhen, wenn wir die Wiese dort unten erreicht haben", sagte Ayla.
"Es ist weiter, als es scheint. Und gerade hier sollte man den Abstieg nicht überhasten. Wir müssen uns anseilen, und du solltest, denke ich, als erste gehen. Wenn du ins Rutschen gerätst, kann ich dein Gewicht halten. Such dir den Abstieg mit Bedacht aus. Die Pferde können wir führen."
"Nein, ich meine, wir sollten sie lieber von den Halftern, dem Gepäck und dem Zuggestell befreien und sie den Weg nach unten allein finden lassen", sagte Ayla.
"Vielleicht hast du recht, aber dann müssen wir die Sachen hierlassen - außer wenn ..."
Ayla sah, wohin er blickte. "Wir packen einfach alles in das Rundboot und lassen es hinuntergleiten!"
"Und behalten nur das Allemötigste bei uns", sagte er lächelnd.
"Wenn wir alles gut verpacken und uns den Weg merken, sollten wir das Boot wiederfinden können."
"Wenn es aber bricht?"
"Was könnte brechen?"
"Der Rahmen", sagte Jondalar, "aber selbst dann würde vermutlich die Haut zusammenhalten."
"Und der Inhalt wäre immer noch in Ordnung, nicht wahr?"
"Wahrscheinlich", lächelte Jondalar. "Ich glaube, das ist eine gute Idee."
Nachdem sie alles umgepackt hatten, nahm Jondalar ihr kleines Reisepäck mit dem Notwendigsten, während Ayla Winnie führte. Vorsichtig gingen sie an der Gletscherkante entlang und hielten nach einem günstigen Abstieg Ausschau.
Als sollten sie für die Beschwerlichkeiten ihrer Reise entschädigt werden, fanden sie bald eine sanft abfallende Geröllmoräne und daneben ein etwas steileres Glatteisgefälle. Sie zogen das Boot an den
Weitere Kostenlose Bücher