Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
gemacht, und es war richtig. Ich glaube, ich werde nie mehr versuchen, einen Gletscher zu überqueren. Zweimal in einem Leben - das ist genug; aber ich bin froh, es gewagt zu haben. Ich werde diese Reise niemals vergessen."
"Nun müssen wir nur noch das Ufer dort erreichen", sagte Ayla, "und Winnie und Renner finden."
Die Sonne ging unter, und zwischen der blendenden Helligkeit
am Horizont und den trügerischen Schatten der Dämmerung schwand die Sicht. Der Abend hatte wieder Frost gebracht. Tröstlich winkte ihnen um den See herum die Sicherheit des festen, schwarzen Lehmbodens, von ein paar Schneeflocken aufgehellt; aber sie wußten nicht, wie sie ans Ufer gelangen sollten. Sie hatten kein Paddel, und die Schlittenstange hatten sie oben auf dem Gletscher zurückgelassen.
Obwohl der See ruhig schien, verursachte der Fluß des Gletscherwassers eine Unterströmung, die sie langsam ans Ufer trieb. Als sie nah genug waren, sprangen sie aus dem Boot und zogen es an Land. Wolf schüttelte sich und spritzte sie naß, doch weder Ayla noch Jondalar achteten darauf. Sie lagen sich in den Armen und waren erleichtert, daß sie endlich festen Boden unter den Füßen hatten.
"Wir haben es tatsächlich geschafft. Wir sind fast zu Hause, Ayla. Wir sind fast zu Hause", sagte Jondalar.
Am Ufer des Sees begann der weiche Schnee wieder zu frieren und verwandelte sich in Harsch und Eis. In der herannahenden Dunkelheit gingen sie über das Geröll und hielten sich an den Händen, bis sie ein Feld erreicht hatten. Feuerholz gab es dort nicht, was sie nicht weiter bekümmerte. Sie aßen von dem getrockneten Proviant, der sie auf dem Eis am Leben gehalten hatte, und tranken aus den Wasserbeuteln, die sie noch auf dem Gletscher gefüllt hatten. Dann stellten sie das Zelt auf und breiteten ihre Schlaffelle aus; doch bevor sie hineinkrochen, spähte Ayla über die dunkle Landschaft und fragte sich, wo die Pferde wohl waren.
Sie pfiff und wartete auf das Geräusch der Hufe, doch niemand kam. Sie sah zu den treibenden Wolken hinauf und pfiff ein zweites Mal. Es war zu dunkel, um jetzt nach ihnen zu suchen; das mußte bis zum Morgen warten. Ayla kroch in ihre Felle an Jondalars Seite und tastete nach dem Wolf, der sich neben ihm zusammengerollt hatte. Während sie erschöpft in den Schlaf sank, dachte sie an die Pferde.
Jondalar blickte auf die zerzausten, blonden Haare der Frau, die sich in seine Achselhöhle gekuschelt hatte, und beschloß, noch nicht aufzustehen. Nichts trieb sie mehr zur Eile; er fühlte sich fast ausgeleert ohne die üblichen Sorgen. Immer wieder mußte er sich sagen, daß sie den Gletscher hinter sich hatten. Wenn sie wollten, konnten sie den ganzen Tag in ihren Schlaffellen liegenbleiben.
Der Gletscher lag hinter ihnen, und Ayla war in Sicherheit. Der Gedanke an ihr knappes Entrinnen ließ ihn schaudern, und er hielt sie ganz fest. Ayla erwachte, stützte sich auf den Ellenbogen und sah ihn an. Das dämmrige Licht im Zelt dämpfte das Blau seiner Augen, und seine Stirn, die sich so oft vor Sorge oder Konzentration zusammengezogen hatte, war nun entspannt. Sie strich mit dem Finger über seine Sorgenfalten und berührte sein Gesicht.
"Weißt du, wie oft ich versucht habe, mir vorzustellen, wie ein Mann aussieht, bevor ich dich traf? Nicht ein Mann vom Clan, sondern einer wie ich. Es gelang mir nie. Du bist schön, Jondalar."
Jondalar lachte. "Ayla, Frauen sind schön, Männer nicht."
"Was sagt man denn bei einem Mann?"
"Vielleicht, daß er stark oder tapfer ist."
"Du bist stark und tapfer, aber das ist nicht dasselbe wie schön. Wie würdest du einen schönen Mann bezeichnen?"
"Gutaussehend, vermutlich." Es irritierte ihn ein wenig. Er hatte es zu oft gehört.
"Gutaussehend", wiederholte sie. "Ich finde schön besser. Schön, das verstehe ich."
Wieder ließ Jondalar sein fröhliches Lachen hören. Es verblüffte Ayla. Er war so ernst gewesen auf dieser Reise. Manchmal war ihm ein Lächeln entwischt, aber selten ein Lachen.
"Wenn du mich schön nennen willst, wird es wohl richtig sein", sagte er und zog sie enger an sich. "Wie kann ich einer schönen Frau widersprechen, die mich schön nennt?"
Er hielt sie immer noch im Arm, als sie aufhörten zu lachen. Er fühlte ihre Wärme und zog sie an sich, um sie zu küssen. Sie ließ ihre Zunge in seinen Mund gleiten und spürte plötzlich, wie sehr sie ihn begehrte.
Er fühlte ihre Bereitschaft und sein eigenes Bedürfnis. Er schob die Felle weg und
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