Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Farbschema.
Jemandem, der sich mit Pferden gut auskannte, mußte auffallen, daß die Tiere vor ihnen auch einen etwas anderen Körperbau hatten; dennoch sah es so aus, als wären sie Pferde. Ayla bemerkte, daß auch Winnie mehr Interesse zeigte als sonst beim Anblick anderer Tiere, und die Herde hatte aufgehört zu grasen und beobachtete sie. Auch Wolf war interessiert, hatte eine geduckte Haltung eingenommen und war im Begriff, auf sie loszustürmen, aber Ayla bedeutete ihm, bei ihnen zu bleiben. Sie wollte die Tiere beobachten. Einer der Onager gab plötzlich einen Laut von sich - kein Wiehern, sondern eher ein durchdringendes Brüllen.
Renner warf den Kopf hoch und wieherte eine Antwort, dann senkte er den Kopf und roch an einem großen, frischen Kothaufen. Für Ayla sah er so aus wie Pferdemist und roch auch so.
"Sind das Pferde?", fragte sie.
"Nicht ganz. Sie sind so etwas ähnliches wie Pferde, genau so, wie Elche so etwas ähnliches sind wie Rentiere. Man nennt sie Onager", erklärte Jondalar.
"Wie kommt es, daß ich sie noch nie gesehen habe?"
"Ich weiß es nicht, aber sie scheinen diese Art Landschaft zu mögen", sagte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf die trockene, fast wüstenähnliche Hochebene mit den steinigen Bergen und der spärlichen Vegetation.
Als sie näher an die Herde herangekommen waren, sah Ayla zwei Fohlen, und sie mußte unwillkürlich lächeln. Die Fohlen erinnerten sie an Winnie, als sie noch jung war. Wolf kläffte leise, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
"Also gut, Wolf. Wenn du diese – Onager ...“ – sie sprach das fremde Wort langsam aus, gewöhnte sich an den Klang "... scheuchen möchtest, dann lauf los."
Wolf kläffte und stürmte auf die Herde zu. Aufgeschreckt setzten sich die Tiere in Bewegung und jagten so schnell davon, daß der junge Möchtegern-Jäger bald hinter ihnen zurückblieb. Er schloß sich Ayla und Jondalar wieder an, als diese sich einem breiten Tal näherten.
Die beiden Reisenden trugen keine Oberbekleidung mehr, nicht einmal, wenn sie gerade aufgestanden waren. Für Ayla war der frühe Morgen mit seiner frischen, kühlen Luft die schönste Tageszeit. Der Spätnachmittag war heiß, heißer als gewöhnlich, und sie sehnte sich nach einem kühlen Fluß, in dem sie baden konnte. Sie warf einen Blick auf den Mann, der ein paar Schritte vor ihr ritt. Oberkörper und Beine waren nackt - er trug nur ein Lendentuch. Sein langes, blondes Haar, im Genick mit einem Lederriemen zusammengebunden, hatte hellere, von der Sonne gebleichte Strähnen und war dunkler, wo Schweiß es durchfeuchtet hatte.
Sie erhaschte einen Blick auf sein glattrasiertes Gesicht und war froh darüber, daß sie seinen kräftigen Kiefer und sein deutlich ausgeprägtes Kinn sehen konnte, obwohl es immer noch Augenblicke gab, in denen es ihr seltsam vorkam, einen erwachsenen Mann ohne Bart zu sehen. Er hatte ihr einmal erklärt, daß er im Winter seinen Bart wachsen ließe, um sein Gesicht warm zu halten, ihn im Sommer aber immer abrasierte, weil es kühler war. Jeden Morgen rasierte er sich mit einer speziellen, scharfen Feuersteinklinge, die er selbst hergestellt hatte und bei Bedarf durch eine neue ersetzte.
Auch Ayla trug nur ein kurzes Kleidungsstück, das Jondalars Lendentuch ähnelte. Beide bestanden aus einem Stück weichen Leders, das von einer Schnur um die Taille gehalten wurde. Er trug sein Stück so, daß eines der freien Enden hinten eingesteckt war und das andere vorn in Form einer kurzen Lasche herabhing. Auch ihr Leder wurde von einer Schnur um die Taille gehalten, aber sie hatte ein längeres Stück genommen und trug es so, daß beide Enden frei blieben und vorn und hinten eine Art Schürze bildeten. Dadurch war etwas entstanden wie ein an den Seiten offener Rock, aber sie saß auf dem weichen, porösen Leder, und das machte das lange Reiten auf dem Rücken eines schwitzenden Pferdes wesentlich angenehmer, obwohl auch die lederne Reitdecke eine große Hilfe darstellte.
Jondalar hatte den hohen Hügel dazu benutzt, sich zu orientieren. Er war froh, daß sie so gut vorangekommen waren, und Ayla fiel auf, daß er einen etwas entspannteren Eindruck machte. Sie wußte, daß das zum Teil auf seine zunehmende Gewandheit im Umgang mit dem jungen Hengst zurück-zuführen war. Obwohl er das Tier auch zuvor schon oft geritten hatte, brachte das Reisen zu Pferde doch einen ständigen Kontakt mit sich, der es ihm ermöglichte, Verständnis für Renners Charakter,
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