Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Nagern, nichts anderes als die geschmeidigen Zobel, Wiesel, Otter, Frettchen, Marder, Nerze und Hermeline, deren Fell sich im Winter ebenso weiß färbte wie das einiger Füchse, so daß sie mit der Winterlandschaft verschmelzen und sich ungesehen an ihre Beute anschleichen konnten. Raub und Steinadler, Falken, Habichte, Krähen und Eulen stürzten auf unvorsichtige Beutetiere herab, während Geier und Schwarzmilane am Boden die Überreste beseitigten, die andere Tiere hinterlassen hatten.
Die ungeheure Artenvielfalt und Größe der Tiere, die auf den eiszeitlichen Steppen lebten, war nur in einer außerordentlich reichen Umwelt möglich. Dennoch war es ein kaltes, trockenes Land, umgeben von Eisbarrieren, die so hoch waren wie die Gebirge, und öden Ozeanen aus gefrorenem Wasser. Es schien ein Widerspruch zu sein, daß eine derart unwirtliche Umgebung die für das üppige Wachstum der Tiere erforderliche Nahrungsfülle hervorzubringen vermochte, aber in Wirklichkeit bot ihnen diese Umgebung geradezu ideale Lebensbe-dingungen. Das kalte, trockene Klima begünstigte das Wachstum von Gras und hemmte das Wachstum von Bäumen.
Bäume wie Eichen oder Fichten sind prachtvolle Gewächse, aber um heranwachsen zu können, brauchen sie viel Zeit und Feuchtigkeit. Einige wenige Tiere mögen sich von den Früchten und Nüssen ernähren oder die Blätter oder ein paar Triebspitzen von den Bäumen abweiden, aber Holz und Rinde sind weitgehend ungenießbar und wachsen, wenn sie einmal vernichtet wurden, nur langsam nach. Kommen Energie und Nährstoffe einer Grasmenge zugute, die ebensoviel wiegt wie die Bäume, dann kann das Gras unendlich mehr Tiere ernähren, und außerdem wächst es ständig nach. Ein Wald mag das Musterbeispiel für ein reiches, üppiges Pflanzenleben sein, aber es war das Gras, das eine Fülle von Tierformen hervorbrachte,
und nur das Grasland konnte diese Tiere ernähren und erhalten.
Ayla war etwas unbehaglich zumute, aber sie wußte nicht, warum. Es war nichts Greifbares, nur ein merkwürdiges, unruhiges Gefühl. Bevor sie die Kuppe des hohen Hügels verlassen hatten, hatte sie gesehen, daß sich über den Bergen im Westen Gewitterwolken zusammenballten. Sie hatte Wetterleuchten gesehen und das Grollen von fernem Donner gehört. Der Himmel über ihnen war jedoch klar und tiefblau; die Sonne hatte den Zenit zwar bereits überschritten, stand jedoch noch immer hoch. Es war unwahrscheinlich, daß es in der Nähe regnen würde, aber der Donner gefiel ihr nicht. Es erinnerte sie an Erdbeben.
Vielleicht liegt es nur daran, daß in ein oder zwei Tagen meine Mondzeit fällig ist, dachte Ayla. Ich sollte meine Lederriemen bereithalten und die Mufflonwolle, die Nezzie mir gegeben hat. Sie sagte, das wäre das beste, wenn man auf Reisen ist, und sie hatte recht. Das Blut läßt sich mit kaltem Wasser leicht herauswaschen.
Ayla hatte noch nie Onager gesehen, und da sie in Gedanken andersweitig beschäftigt war, schenkte sie ihnen, als sie den Abhang hinunterritten, keine besondere Aufmerksamkeit. Sie glaubte, die Tiere, die in einiger Entfernung weideten, seien Pferde. Erst als sie näher herankamen, fielen ihr die Unterschiede auf. Sie waren etwas kleiner, ihre Ohren waren länger, und der Schweif war kein dichtes Büschel aus vielen einzelnen Haaren, sondern ein kürzerer, dünner Schaft, der mit kurzem Fell bedeckt war wie der Körper der Tiere, und an dessen Ende eine dunklere Quaste saß. Beide Tierarten hatten eine aufrecht stehende Mähne, aber bei den Onagem war sie unregelmäßiger. Das Fell der Tiere in der kleinen Herde war auf dem Rücken und an den Flanken rötlichbraun fast weiß; über die ganze Länge des Rückens verlief ein dunkler Strich, ein weiterer zog sich quer über die Schultern, und auch die Beine wiesen mehrere dunkle Streifen auf.
Die junge Frau verglich ihre Farbe mit der der Pferde. Obwohl Winnies gelblichbraunes Fell eine Spur heller war und eher ins
Goldgelb hinüberspielte, waren die meisten Steppenpferde wie sie unauffällig gefärbt und sahen ihr recht ähnlich. Renners dunkelbraunes Fell dagegen war höchst ungewöhnlich. Die dicke, steife Mähne der Stute war dunkelgrau, und diese Farbe setzte sich in einem Strich fort, der sich bis zum Schweifansatz über ihren Rücken zog. Das Fell des Hengstes war zu dunkel, als daß man den Aalstrich auf seinem Rücken erkennen konnte, aber Mähne, Schweif und Beine waren schwarz und entsprachen dem üblichen
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