Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
Sie sah sich als eine, die über Wissen verfügte, aber noch immer eine Lernende war. Seit sie den Clan verlassen hatte, hatte sie es sehnlich vermisst, einen Menschen zu haben, mit dem sie über all das reden konn te.
Folara half ihr beim Zubereiten des Tees und zeigte ihr, wo die Küchengerätschaften zu finden waren. Dann trugen sie dampfende Becher für alle zum Tisch hinüber. Willamar war nun offenbar in besserer Verfassung und fragte Jondalar, wie Thonolan gestorben war. Jondalar setzte gerade an, noch ein mal von dem Höhlenlöwen zu erzählen, als es am Eingang klopfte.
»Komm herein«, rief Marthona.
Joharran schob den Vorhang beiseite und blickte ein wenig überrascht drein, als er so viele versammelt sah, unter ihnen Zelandoni. »Ich bin gekommen, um mit Willamar zu sprechen, und wollte wissen, wie die Handelsreise verlaufen ist. Ich sah, wie du zusammen mit Tivonan ein großes Bündel abgeladen hast, aber bei all der Aufregung heute und den Festvorberei tungen für heute Abend dachte ich erst, wir sollten bis morgen warten, bis wir uns unterhal...« Er war näher getreten und hielt nun plötzlich inne, weil er spürte, dass etwas nicht stimmte. Er schaute von einem zum anderen und schließlich zu Zelandoni.
»Jondalar hat uns gerade von dem Höhlenlöwen erzählt, der ... über Thonolan hergefallen ist«, sagte sie, und an seinem ent setzten Blick sah sie, dass er vom Tod seines jüngsten Bruders noch nichts wusste. Auch für ihn würde der Tod des viel ge liebten Thonolan schwer zu verkraften sein. »Setz dich, Johar ran. Ich denke, wir sollten uns das alle gemeinsam anhören. Geteilter Kummer ist leichter zu ertragen, und ich bezweifle, dass Jondalar die Geschichte noch allzu oft erzählen will.«
Ayla fing Zelandonis Blick auf und neigte den Kopf zuerst zu dem beruhigenden Getränk hin, das die Frau bereitet hatte, dann zu dem Tee, den sie selbst gemacht hatte. Zelandoni nick te zu dem Tee hin und schaute dann zu, wie Ayla schweigend einen Becher davon eingoss und ihn ohne viel Aufhebens Jo harran reichte. Er nahm ihn, ohne Ayla überhaupt recht zu be merken, während Jondalar von den Ereignissen berichtete, die Thonolans Tod vorausgegangen waren. Ayla war zunehmend von Zelandoni fasziniert. Etwas Besonderes war an ihr, und vielleicht wusste sie mehr als nur ein wenig über Kräuter.
»Was geschah, nachdem der Löwe über ihn hergefallen war?«, fragte Joharran.
»Er ist auf mich losgegangen.«
»Wie bist du davongekommen?«
»Das soll Ayla erzählen«, sagte Jondalar. Alle Augenpaare richteten sich plötzlich auf sie.
Als Jondalar das erste Mal eine Geschichte bis zu einem be stimmten Punkt erzählt und dann ohne Vorwarnung das Wort an Ayla übergeben hatte, hatte sie das zutiefst verunsichert. Jetzt fühlte sie sich weniger überrumpelt, aber diese Menschen waren seine Sippe, seine Familie. Sie musste davon berichten, wie einer der Ihren gestorben war, ein Mann, den sie selbst nicht gekannt hatte und an dem die anderen offensichtlich sehr gehangen hatten. Sie spürte, wie ihr Magen sich vor Nervosität zusammenzog.
»Ich ritt auf Winnies Rücken«, begann sie. »Sie trug in ihrem Bauch Renner, brauchte aber Bewegung, also ritt ich jeden Tag ein kleines Stück mit ihr. Gewöhnlich schlugen wir die östliche Richtung ein, weil der Weg weniger beschwerlich war, aber ich war es irgendwann müde, immer nur dieselbe Route zu neh men, also wollte ich zur Abwechslung einmal nach Westen. Ganz am anderen Ende des Tals, wo die Felswand in einen Abhang überging, überquerten wir den kleinen Fluss, und ich hätte es mir dort beinahe anders überlegt und wäre umgekehrt. Winnie zog die Schleiftrage hinter sich her, und der Abhang war steil, aber sie ist trittsicher und erklomm den Hang ohne große Mühe.«
»Was ist eine Schleiftrage?«, fragte Folara.
Ayla versuchte, die Schleiftrage zu erklären, die sie sich aus gedacht hatte. »Das sind einfach zwei Stangen, die an Winnies Rücken befestigt sind und mit dem anderen Ende am Boden schleifen. Zwischen den Stangen ist ein stabiles Tragegestänge befestigt. Auf diese Weise konnte Winnie mir helfen, Dinge in meine Höhle zu schaffen, zum Beispiel das Wild, das ich erlegt hatte.«
»Warum hast du nicht einfach ein paar Leute geholt, damit sie dir helfen?«, wollte Folara wissen.
»Es gab dort niemanden, der mir hätte helfen können. Ich wohnte allein in dem Tal.«
Folara und die anderen schauten einander verwundert an, doch ehe jemand noch eine weitere Frage
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