Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
sein, dass sein Geist in der nächsten Welt umher irrt und niemanden hat, der ihm den Weg weisen kann?«
Zelandoni überlegte kurz, denn dies war ein ernstes Thema, das Feingefühl verlangte, insbesondere da die Familie um Tho nolan trauerte. »Hast du nicht gesagt, Ayla, dass du in der Eile irgendein Ritual vollzogen hast? Beschreib es mir.«
»Da gibt es nicht viel zu beschreiben«, erwiderte Ayla. »Es war das Ritual, das Creb immer durchgeführt hat, wenn jemand starb und sein Geist diese Welt verließ. Meine Sorge galt mehr dem Mann, der noch am Leben war, aber ich wollte dennoch etwas tun, damit der andere seinen Weg leichter finden konn te.«
»Sie ist später mit mir an die Stelle gegangen«, fügte Jondalar hinzu, »und sie gab mir rotes Ockerpulver, damit ich es über die Steine seines Grabs streute. Als wir das Tal endgültig ver ließen, gingen wir noch einmal in die Schlucht, wo Thonolan und ich angefallen worden waren. In dem Geröllhaufen fand ich einen ganz besonderen Stein und nahm ihn mit. Ich hoffte, dass er dir helfen könnte, Thonolans Geist zu finden, falls er noch umherirrt, und ihm den Weg zu weisen. Der Stein ist in einem meiner Beutel, ich hole ihn.«
Jondalar erhob sich, ging zu seinem Gepäck und kam rasch mit einem einfachen Lederbeutel zurück, an dem ein langer Riemen befestigt war, mit dem man ihn um den Hals tragen konnte. Allerdings wiesen keine Abnutzungsspuren darauf hin, dass Jondalar ihn so getragen hatte. Jondalar öffnete den Beutel und schüttelte zwei Gegenstände auf seine Handfläche. Der eine war ein kleiner Brocken roten Ockers, der andere ein zu nächst ganz gewöhnlich aussehender kleiner, grauer Stein mit scharfen Kanten, der ungefähr wie eine abgeflachte Pyramide geformt war. Als er aber die Unterseite des Steins herumzeigte, schnappten einige vor Staunen nach Luft. Sie war mit einer dünnen Schicht aus milchig blauem Opal überzogen, die mit feuerrot schimmernden Punkten durchsetzt war.
»Als ich dort stand und an Thonolan dachte«, erklärte Jonda lar, »rollte dieser Stein den Abhang herab und landete vor mei nen Füßen. Ayla sagte, ich solle ihn in mein Amulett stecken - in diesen Beutel - und mit hierher nehmen. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ich hatte das Gefühl - und habe es immer noch -, dass Thonolans Geist irgendwie damit in Verbindung steht.«
Er reichte den Stein Zelandoni. Von den anderen verspürte niemand den Wunsch, den Stein zu berühren, und Ayla be merkte, dass Joharran schauderte. Zelandoni betrachtete den Stein eingehend und hatte dabei Zeit, ihre Worte mit Bedacht zu wählen.
»Ich glaube, du hast Recht, Jondalar«, sagte sie. »Es gibt eine Verbindung zwischen diesem Stein und Thonolans Geist. Ich bin mir nicht sicher, worin sie besteht. Ich muss das genauer prüfen und die Mutter um Rat fragen, doch du hast gut daran getan, mir den Stein zu bringen.« Sie schwieg eine Weile und fuhr dann fort: »Thonolans Geist liebte das Abenteuer. Viel leicht war diese Welt zu klein für ihn. Mag sein, dass er in der nächsten Welt noch immer auf Reisen ist, nicht weil er sich verirrt hat, sondern weil er noch nicht bereit dafür ist, seinen Platz dort zu finden. Wie weit wart ihr im Osten, als sein Leben in dieser Welt endete?«
»Jenseits des Binnensees, in den sich der große Fluss ergießt, der auf der anderen Seite des Hochlandgletschers entspringt.«
»Der Fluss, den sie den Fluss der Großen Mutter nennen?«
»Ja.«
Zelandoni verfiel abermals in Schweigen. Schließlich hob sie an zu sprechen. »Es könnte sein, Jondalar, dass Thonolans Sehnsucht erst in der nächsten Welt Erfüllung finden kann, im Land der Geister. Vielleicht kam Doni zu dem Entschluss, dass es Zeit sei, ihn zu rufen und dich nach Hause zurückkehren zu lassen. Was Ayla tat, war möglicherweise ausreichend aber ich verstehe nicht recht, was sie tat oder warum sie es tat. Ich muss ihr einige Fragen stellen.«
Sie ließ den Blick von dem stattlichen Mann, den sie einst ge liebt hatte und auf ihre Weise noch immer liebte, zu der jungen Frau wandern, die neben ihm saß und es in der kurzen Zeit seit ihrer Ankunft mehr als einmal fertig gebracht hatte, sie zu ver blüffen. »Zuerst einmal, wer ist dieser ›Grrrabb‹, von dem du sprichst, und warum hast du den Geist eines Höhlenbären ange rufen und nicht die Große Erdmutter?«
Ayla sah, worauf Zelandoni hinauswollte, und hatte das Ge fühl, ihren direkten Fragen nicht ausweichen zu können. Sie hatte gelernt, dass manche
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