Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
Schaden zufügen.«
Die Übersetzung in Zelandonii sprach sie mit gedämpfter, monotoner Stimme, so präzise und mit so wenig Akzent, wie sie nur konnte. Durch die Worte wurde den anderen deutlich, dass sie nicht nur willkürlich mit den Händen herumfuchtelte. Die gezielten Gesten - feine Lagewechsel des Körpers, die eine Bewegung andeuteten, das stolze Heben und ergebene Senken des Kopfes, sogar das Heben einer Augenbraue - flossen weich und anmutig ineinander. Auch wenn sich nicht bei jeder Geste der Sinn erschließen ließ, war doch unverkennbar, dass die Bewegungen etwas zu bedeuten hatten.
Der Gesamteindruck war staunenswert und anrührend. Marthona lief ein Schauder über den Rücken. Ihr Blick ging zu Zelandoni, die diesen erwiderte und ihr zunickte. Auch sie war fasziniert. Jondalar, der die Versammelten genau beobachtete, konnte an solchen Details erkennen, welch großen Eindruck Ayla auf sie machte. Joharran verfolgte das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen, atemlos und mit gefurchter Stirn. Willamar nickte zustimmend und mit einem leisen Lächeln, während Folara vor Begeisterung strahlte. Sie war so entzückt, dass auch Jondalar lächeln musste.
Ayla setzte sich wieder an den Tisch. Die Eleganz und Leich tigkeit, mit der sie sich in den Schneidersitz niederließ, war nun augenfälliger als noch vor ihrer Vorführung. Um den Tisch herum breitete sich unbehagliche Stille aus. Niemand wusste, was er sagen sollte, und hatte das Gefühl, dass er Zeit zum Nachdenken brauchte.
Folara fühlte sich schließlich genötigt, die Leere zu füllen: »Das war herrlich, Ayla! Wunderschön, fast wie ein Tanz!«
»Es fällt mir schwer, das so zu sehen«, erwiderte Ayla. »Denn das ist nun einmal ihre Art zu sprechen. Ich weiß frei lich noch, wie gern ich den Geschichtenerzählern zuschaute.«
»Es war sehr ausdrucksvoll«, sagte Marthona und blickte fra gend ihren Sohn an: »Kannst du das auch, Jondalar?«
»Nicht so wie Ayla. Sie brachte es den Leuten im Löwenla ger bei, damit sie sich mit Rydag verständigen konnten. Beim Sommertreffen machten sie sich einen Spaß daraus, dass sie miteinander reden konnten, ohne dass die anderen es mitbeka men.«
»Rydag - war das nicht der Junge mit dem schwachen Her zen?«, fragte Zelandoni. »Warum konnte er nicht sprechen wie die anderen?«
Jondalar und Ayla warfen sich einen Blick zu, und Ayla er klärte: »Rydag war zur Hälfte ein Clan-Kind und hatte diesel ben Schwierigkeiten wie die Clan-Leute, bestimmte Laute her vorzubringen. Also brachte ich ihm und dem Löwenlager die Clan-Sprache bei.«
»Zur Hälfte ein Clan-Kind?«, sagte Joharran. »Du meinst, zur Hälfte ein Flachschädel-Kind? Ein halbes FlachschädelScheusal!«
»Er war ein Kind!«, versetzte Ayla und funkelte ihn wütend an. »So wie jedes andere Kind. Kein Kind ist ein Scheusal!«
Ihre Reaktion verblüffte Joharran. Dann erst fiel ihm ein, dass sie ja von denen großgezogen worden war, und er begriff, wa rum sie so gekränkt war. Er stotterte eine Entschuldigung: »Ich ... Ich ... Es tut mir Leid. So denken nun mal alle.«
Zelandoni griff ein, um die Wogen zu glätten. »Du darfst nicht vergessen, Ayla, dass wir noch keine Zeit hatten, das al les zu verarbeiten, was du uns erzählt hast. Wir haben deine Clan-Leute immer als Tiere betrachtet, und ein Wesen, das halb Mensch und halb Tier ist, als ein Scheusal. Du hast sicher Recht, dass dieser ... Rydag ein Kind war.«
Ja, dachte Ayla, es ist neu für sie. Und ich weiß ja auch selbst gut genug, wie sie sich fühlen müssen - Jondalar hat mir das klar gemacht, als ich zum ersten Mal Durc erwähnte. Sie ver suchte sich zu beruhigen.
»Es gibt da etwas, das ich gerne besser verstehen möchte«, fuhr Zelandoni fort. Sie überlegte, wie sie ihre Frage so formu lieren konnte, dass sie die Fremde nicht kränkte. »Die Frau namens Nezzie war die Gefährtin des Anführers des Löwenla gers, richtig?«
»Ja.« Ayla erkannte, worauf sie hinauswollte, und blickte zu Jondalar. Sie war sich sicher, dass er ein Lächeln unterdrückte. Es tat ihr gut, dass auch er bemerkte, wie die mächtige Donier sich ein wenig wand, und sich im Stillen darüber amüsierte.
»Dieses Kind, dieser Rydag, war ihr Sohn?«
Jondalar wäre es fast lieber gewesen, Ayla hätte die Frage mit Ja beantwortet, weil sie das noch mehr zum Nachdenken ge bracht hätte. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, sich von be stimmten Anschauungen zu lösen, die er von klein auf, sozusa gen mit der Muttermilch, in sich
Weitere Kostenlose Bücher