Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
hinter dem Faden und trennte das Baby so von der Plazenta, die es bis zur Geburt genährt hatte. Jetzt war Aylas Kind ein eigenständiges, einzigartiges Wesen. Ein kleiner Mensch.
Marthona und Zelandoni säuberten das Baby mit einem samtweichen Hasenfell, das Ayla extra für diesen Anlass prä pariert hatte. Marthona hielt eine andere samtweiche Decke bereit, die so flaumig wie Babyhaut war. Sie bestand aus der Haut eines Hirschfötus, der kurz vor der Geburt gestanden hat te. Zelandoni hatte Jondalar gesagt, dass es für die Geburt des Kindes seines Herdfeuers besonders günstig wäre, eine solche Haut zu bekommen, also hatte er sich mit seinem Bruder kurz vor Ende des Winter nach einer schwangeren Hirschkuh auf die Lauer gelegt.
Ayla hatte ihm geholfen, aus dieser Haut eine geschmeidige Lederdecke zu gerben. Er hatte ihr Geschick bei der Lederver arbeitung immer bewundert; es war eine Kunst, die sie beim Clan gelernt hatte. Nachdem er ihr einmal dabei geholfen hatte, wusste er, wie viel Arbeit darin steckte, selbst bei einer wei chen Fötushaut. Zelandoni legte das Baby auf die Decke, und Marthona wickelte es. Dann brachte sie Ayla das Neugeborene.
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»Du kannst zufrieden sein. Es ist ein kerngesundes kleines Mädchen«, verkündete Marthona und reichte das winzige Bün del seiner Mutter.
Ayla betrachtete ihren Sprössling. »Wie schön sie ist!« Sie wickelte die Kleine aus ihren weichen Lederwindeln und unter suchte sie trotz der ermutigenden Worte mit leisem Bangen auf mögliche Missbildungen. »Sie ist perfekt. Hast du jemals ein so schönes Baby gesehen, Marthona?«
Die Frau lächelte. Natürlich hatte sie das - ihre eigenen Ba bys. Aber dieses, die Tochter vom Herdfeuer ihres Sohnes, war nicht minder schön.
»Die Geburt war überhaupt nicht schwer, Zelandoni«, be merkte Ayla, als die Donier sich zu ihnen gesellte. »Du hast mir sehr geholfen, aber es ging auch sehr leicht. Ich freue mich so, dass es ein Mädchen ist. Schau mal, sie sucht nach meiner Brust.« Man sieht, dass sie Erfahrung hat, dachte Zelandoni. »Können wir nicht Jondalar holen, damit er seine Tochter be gutachtet? Ich finde, dass sie ihm ähnlich sieht, du nicht, Marthona?«
»Er kann gleich kommen«, sagte Zelandoni, nachdem sie Ay la untersucht und ihr frisches, saugfähiges Leder zwischen die Beine gewickelt hatte. »Es ist nichts gerissen, Ayla, keine Ver letzung. Nur die Blutung, mit der alles herausgespült wird. Es war eine gute Entbindung. Hast du einen Namen für sie?«
»Ja, ich habe darüber nachgedacht, seit du mir gesagt hast, dass ich den Namen für mein Kind zu bestimmen habe.«
»Gut. Sag mir den Namen. Ich werde ein Symbol für ihn auf diesen Stein zeichnen und ihn gegen das hier austauschen«, sagte die Erste und hob die in die Geburtsdecke gewickelte Nachgeburt hoch. »Dann werde ich das hier hinaustragen und begraben, bevor der noch in der Nachgeburt verbliebene Le bensgeist sich in der Nähe des Lebens, das ihn bisher beher bergt hat, ein Heim sucht. Ich muss mich beeilen. Und dann sage ich Jondalar Bescheid.«
»Ich habe mich entschieden, sie ...«, setzte Ayla an.
»Nein! Sprich ihn nicht laut aus, flüstere ihn mir ins Ohr«, sagte Zelandoni.
Die Donier beugte sich über Ayla und ließ sich den Namen zuflüstern. Dann ging sie schnell hinaus. Marthona, Folara und Proleva setzten sich neben die junge Mutter, bewunderten das Baby und unterhielten sich leise. Ayla war müde, aber glück lich und entspannt, ganz anders als nach Durcs Geburt. Damals war sie vollkommen erschöpft gewesen und hatte entsetzlich gelitten. Sie döste ein und wachte wieder auf, als Zelandoni zurückkam und ihr einen kleinen Stein mit rätselhaften Zeichen in roter und schwarzer Farbe gab.
»Leg ihn an einen sicheren Ort, vielleicht in die Nische hinter deiner Donii.«
Ayla nickte und sah ein weiteres Gesicht auftauchen. »Jonda lar!«, rief sie. Er kniete sich neben das Schlafpodest.
»Wie geht es dir, Ayla?«
»Gut. Es war keine schwere Geburt, Jondalar. Viel leichter, als ich gedacht hätte. Schau mal, das Baby!« Sie schlug die Decke zurück, damit er seine Tochter sehen konnte. »Sie ist vollkommen!«
»Du hast das Mädchen bekommen, das du dir gewünscht hast.« Ehrfürchtig betrachtete er das winzige Neugeborene. »Wie klein sie ist! Schau mal, was für winzige Fingernägel sie hat.« Die Tatsache, dass diese Frau einem vollständig neuen menschlichen Wesen das Leben geschenkt hatte, überwältigte ihn. »Wie hast du deine
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