Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
schicken, und wenn ihr wollt, können wir dann zusammen reisen. Du hast dort Verwandte, nicht wahr? Hast du eine bestimmte Strecke im Sinn? Ich weiß, dass der Westfluss in etwa in der gleichen Richtung wie der Hauptfluss verläuft, daher dürfte er nicht schwer zu finden sein. Wir müssen nur nach Süden zum Großen Fluss gehen, dann nach Westen, bis wir den Westfluss erreichen, und ihm dann nach Norden folgen. Aber wenn du einen direkteren Weg weißt, könnte es ein bisschen schneller gehen.«
»Den kenne ich allerdings«, erwiderte Manvelar. »Du weißt, dass meine Gefährtin von der Sechsundzwanzigsten Höhle stammt, und wir haben ihre Familie oft besucht, als die Kinder kleiner waren. Seit sie gestorben ist, war ich nicht mehr dort, und ich freue mich, bei diesem Sommertreffen Menschen wiederzubegegnen, die ich lange nicht gesehen habe. Morizan und sein Bruder und seine Schwester haben dort Vettern und Kusinen.«
»Wir können uns weiter darüber unterhalten, wenn wir die Löwenfelle abholen. Vielen Dank für die Gastfreundschaft der Dritten Höhle, Manvelar.« Joharran wandte sich zum Gehen. »Wir müssen aufbrechen. Die Zweite Höhle erwartet uns, und Zelandoni, Die Die Erste Ist, möchte Ayla eine Höhle zeigen, die sie überraschen wird.«
Die ersten Schösslinge des Frühjahrs hatten einen smaragdgrünen Hauch über die kalte braune, auftauende Erde gelegt. Als die kurze Jahreszeit fortschritt und Halme und schmale Blätter ihre volle Größe erreichten, verwandelten sich die feuchten, braunen Schwemmebenen entlang der Flüsse in saftige Wiesen. Im wärmeren Frühsommerwind ging das frische Grün der wogenden Gräser, die dem Fluss, der sie durchströmte, seinen Namen verliehen, in das Gold der Fruchtreife über.
Die Gruppe der Reisenden, teils aus der Neunten Höhle und teils aus der Dritten, folgte demselben Weg wie am vorherigen Tag. Hintereinander umrundeten sie den vorstehenden Fels auf dem Pfad zwischen dem klaren Wasser des Grasflusses und der Felswand. Danach gingen sie bisweilen zu zweit und zu dritt nebeneinander.
Sie schlugen den Pfad ein, der zur Furt abzweigte - sie wurde bereits »Ort der Löwenjagd« genannt. Die natürliche Anordnung der Steine machte die Überquerung nicht einfach. Für gewandte junge Männer war es ein Leichtes, von einem rutschigen Stein zum anderen zu springen, doch einer Frau, die schwanger war oder einen Säugling trug, dazu vielleicht noch Bündel mit Nahrungsmitteln, Kleidung oder Gerätschaften, oder älteren Frauen und Männern fiel es wesentlich schwerer. Daher waren weitere Steine sorgsam zwischen diejenigen gelegt worden, die bei niedrigerem Wasserstand zutage traten, um die Abstände zwischen den Trittsteinen zu verkürzen.
Morizan wartete auf Jondalar und Ayla, die mit ihren Pferden den Fluss als Letzte überquerten. Nach einer kurzen Begrüßung bemerkte er: »Mir war nicht klar, wie gut deine Speerschleuder funktionieren würde. Ich hatte zwar damit geübt, aber zu sehen, wie du und Ayla sie einsetzt, hat mir zu einem neuen Verständnis verholfen.«
»Es war sicherlich klug von dir, dich mit der Speerschleuder vertraut zu machen, Morizan. Sie ist eine sehr schlagkräftige Waffe. Hat Manvelar dir das vorgeschlagen, oder hast du dich selbst dazu entschlossen?«, fragte Jondalar.
»Das war meine Idee, aber nachdem ich damit angefangen hatte, hat er mich ermutigt. Er meinte, ich würde ein gutes Beispiel geben«, erwiderte Morizan. »Um ehrlich zu sein, das war mir einerlei. Ich wollte nur den Umgang mit dieser Waffe lernen, weil sie mich interessierte.«
Jondalar lächelte den jungen Mann an. Er hatte sich schon gedacht, dass die Jüngeren als Erste bereit wären, seine neue Jagdwaffe auszuprobieren, und Morizans Antwort entsprach genau dem, was er sich erhofft hatte.
»Gut. Je mehr du übst, desto besser wirst du. Ayla und ich benutzen die Speerschleuder schon seit langer Zeit. Wie du gesehen hast, können auch Frauen die Speerschleuder sehr wirksam einsetzen.«
Eine Weile folgten sie dem Grasfluss stromaufwärts und kamen dann zu einem schmaleren Nebenfluss, der Kleiner Grasfluss genannt wurde. Während sie ihren Weg daran entlang fortsetzten, fiel Ayla eine Veränderung in der Luft auf, eine kühle, feuchte Frische, erfüllt von einem kräftigeren Geruch. Selbst das Gras hatte einen dunkleren Farbton, und an manchen Stellen war der Boden weicher. Der Pfad führte um Sumpfland mit hohem Schilf und Rohrkolben herum, als sie durch das Tal auf eine
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