Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
mehrere Felsnischen bewohnten. Ihr Abri war außergewöhnlich groß und bot genügend Raum, um die vielen Menschen bequem unterzubringen.
Alle, die nicht zum Sommertreffen gegangen waren und laufen konnten, kamen heraus und sahen den Reisenden entgegen. Vielen blieb vor Überraschung der Mund offen stehen, denn sie hatten ihre Donier noch nie auf dem Sitz gesehen, der von Aylas Pferd gezogen wurde. Ayla hielt an, damit Zelandoni von der Schleiftrage steigen konnte, was sie mit unerschütterlicher Würde tat. Die Erste wandte sich an Stenola, eine Frau in mittleren Jahren, die sie als besonnen und verantwortungsvoll kannte. Die Frau war in der Neunten Höhle geblieben, weil sie sich um ihre kränkliche Mutter kümmern wollte.
»Wir haben die Fünfte Höhle besucht und ein heftiges Erdbeben erlebt. Habt ihr es hier auch gespürt, Stelona?«, fragte die Erste.
»Wir haben es gespürt, und die Leute hatten Angst, aber es war nicht allzu schlimm. Ein paar Felsbrocken sind herabgestürzt, aber hauptsächlich auf den Versammlungsplatz, nicht hier. Niemand wurde verletzt«, antwortete Stelona und nahm damit die nächste Frage der Zelandoni vorweg.
»Das freut mich zu hören. Die Fünfte Höhle hatte nicht so viel Glück. Ein Junge wurde schwer am Kopf verletzt. Ich fürchte, für ihn besteht nur wenig Hoffnung. Vielleicht reist er schon durch die nächste Welt«, sagte die Donier. »Hast du etwas von den anderen Höhlen hier in diesem Gebiet gehört, Stelona? Der Dritten? Der Elften? Der Vierzehnten?«
»Wir haben den Rauch ihrer Signalfeuer gesehen, der uns anzeigt, dass sie keine dringende Hilfe brauchen«, berichtete Stelona.
»Das ist gut, aber ich möchte lieber nachsehen, ob sie Schaden davongetragen haben.« Die Donier wandte sich an Ayla und Jondalar. »Würdet ihr mitkommen? Und vielleicht die Pferde mitnehmen? Sie könnten nützlich sein, falls jemand tatsächlich Hilfe benötigt.«
»Heute?«, fragte Jondalar.
»Nein, ich wollte morgen früh zu unseren Nachbarn aufbrechen.«
»Ich begleite dich gern«, bot Ayla an.
»Ich natürlich auch«, sagte Jondalar.
Ayla und Jondalar luden Renners Schleiftrage bis auf ihre eigenen Sachen ab und ließen die Bündel auf dem Sims vor dem Wohnbereich liegen. Dann führten sie die Pferde mit den fast leeren Schleiftragen an dem Teil des Abris vorbei, in dem die meisten Menschen lebten. Ihre Wohnstätte lag am anderen Ende des bewohnten Teils, wenngleich der Felsüberhang einen noch viel größeren Bereich überdeckte, der nur gelegentlich genutzt wurde, bis auf den Platz, den sie für die Pferde eingerichtet hatten. Während sie vor dem geräumigen Abri entlanggingen, fielen ihnen ein paar frisch herabgestürzte Felsbrocken auf, nicht allzu groß, kaum größer als die Stücke, die sich manchmal ohne ersichtlichen Grund von selbst lösten.
Sie kamen an dem großen flachen Kalksteinblock auf der vorderen Felsterrasse vorbei, auf den Joharran und andere stiegen, wenn sie einer größeren Gruppe etwas mitzuteilen hatten, und Ayla fragte sich, wann der wohl herabgefallen war und warum. Hatte ein Erdbeben ihn gelockert, oder war er von selbst abgebrochen? Plötzlich erschienen ihr die Wohnstätten, die in ihren Augen immer Schutz geboten hatten, gar nicht mehr so sicher.
Als sie die Pferde unter den Überhang zu ihrem Gehege führen wollten, war Ayla gespannt, ob sie scheuen würden wie am Abend zuvor. Doch der Ort war ihnen vertraut, und offensichtlich witterten sie keine Gefahr. Sie gingen direkt hinein, was Ayla zutiefst erleichterte. Wenn die Erde bebte, gab es wirklich keinen Schutz, weder drinnen noch draußen, aber sollten die Pferde sie noch einmal warnen, dann wäre sie wohl lieber im Freien.
Sie banden die beiden Schleiftragen ab und ließen sie an der gewohnten Stelle liegen. Dann führten sie die Pferde in den Pferch, den sie für sie gebaut hatten. Dort waren sie nicht eingesperrt. Das, was Ayla und Jondalar unter dem überhängenden Fels errichtet hatten, diente dem Wohlbefinden der Tiere, sie konnten kommen und gehen, wann sie wollten.
Nur wenn die Stute im Frühjahr rossig wurde, gab es Einschränkungen für die Pferde. Dann hielten Ayla und Jondalar nicht nur die Tore fest geschlossen, legten den Tieren Halfter an und banden sie an Pfosten, sondern schliefen für gewöhnlich auch in ihrer Nähe, um die Hengste zu vertreiben, die von der Stute angezogen wurden. Ayla wollte nicht, dass Winnie von einem Hengst eingefangen und seiner Herde zugeführt wurde, und
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