Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
mehr Boote herzustellen, wollen sie vielleicht unsere Messer verwenden, die eigens dafür entworfen wurden, Baumstämme auszuhöhlen, und ich könnte auf diese Weise viele Fahrten auf dem Fluss einhandeln.«
Ayla dachte darüber nach, wie Jondalars Verstand arbeitete, wie er immer nach vorn dachte, um einen Gewinn für die Zukunft zu erzielen. Er kümmerte sich gewissenhaft um sie und Jonayla, und sie wusste, dass es auch damit zu tun hatte, welchen Wert die Zelandonii auf Ansehen legten. Für ihn war es wichtig, und er wusste sehr wohl, was in einer bestimmten Situation zu tun war, um sich Rang und Namen zu verschaffen. Seine Mutter Marthona war genauso, und er hatte offensichtlich von ihr gelernt. Ayla begriff den Wert von Ansehen, das für den Clan vielleicht von noch größerer Bedeutung war, doch ihr erschien es nicht so wichtig. Obwohl sie bei verschiedenen Menschen Ansehen erlangt hatte, war es ihr anscheinend immer zugeflogen, sie hatte sich nie darum bemühen müssen, und sie war sich nicht sicher, ob sie wusste, wie sie das anstellen sollte.
Die Strömung trug die Flöße ein ganzes Stück flussabwärts, bevor sie das andere Ufer erreichten. Inzwischen stand die Sonne tief im Westen, und alle waren froh, als beide Flöße das gegenüberliegende Ufer erreicht hatten.
Während das Lager aufgeschlagen wurde, zogen Willamars junge Handelsburschen zusammen mit Jondalar und Wolf los, um nach Jagdbeute Ausschau zu halten. Sie hatten noch etwas Fleisch vom Riesenhirsch, aber das würde nicht mehr lange reichen.
Kurz nach ihrem Aufbruch entdeckten sie einen einzelnen Wisentbullen, der sie jedoch zuerst sah und so schnell die Flucht ergriff, dass sie ihm nicht folgen konnten. Wolf scheuchte zwei nistende Moorschneehühner in glänzendem Sommergefieder auf, und Jondalar erwischte eins mit seiner Speerschleuder. Tivonan traf daneben, und Palidar bekam seine nicht schnell genug wurfbereit. Ein Moorschneehuhn würde nicht viele Menschen sattmachen, doch Jondalar nahm es mit. Bald würde es dunkel werden, sie hatten nicht viel Zeit, um nach etwas anderem Ausschau zu halten, daher machten sie sich auf den Rückweg zum Lagerplatz.
Dann vernahm Jondalar ein Jaulen und drehte sich rasch um. Wolf hatte einen jungen Wisentbullen gestellt. Dieser war kleiner als der, den sie zuvor gesehen hatten, und sehr wahrscheinlich hatte er erst vor kurzem die mütterliche Herde verlassen, um mit den Jungbullen umherzustreifen, die sich zu dieser Jahreszeit in kleinen Herden zusammenfanden. Im Nu hatte Jondalar seinen Speer in der Schleuder, und Palidar war diesmal schneller. Während die Männer ihre Beute umzingelten, gelang es auch Tivonan, seine Schleuder wurfbereit zu machen.
Das unerfahrene junge Wisent hatte sich auf den Wolf konzentriert, vor dem es sich instinktiv fürchtete, und schenkte den zweibeinigen Raubtieren keine große Beachtung, für die es kein Gespür hatte, weil sie ihm nicht vertraut waren. Da sie zu dritt waren, hatte der Bulle kaum eine Chance. Jondalar, der geschickteste Speerwerfer, schleuderte seinen Speer, sobald er ihn eingelegt hatte. Die anderen beiden brauchten etwas länger, um zu zielen. Palidar schleuderte den leichten Speer als Nächster, dann Tivonan. Alle drei Speere trafen ins Ziel und brachten das Tier zu Fall. Die jungen Männer brachen in Freudengeschrei aus, packten dann jeweils ein Vorderbein am Huf und zerrten das Wisent zum Lagerplatz. Es würde genug Fleisch für mehrere Mahlzeiten abgeben, bei denen alle vierzehn Erwachsenen satt würden, und auch Wolf, der auf jeden Fall ein Stück davon für seinen Anteil an der Jagd verdient hatte.
»Der Wolf kann manchmal wirklich eine große Hilfe sein.« Palidar lächelte den Wolf an, dessen Ohr in eigenartigem Winkel abgeknickt war. Daran war Wolf zu erkennen. Es unterschied ihn von anderen Wildhunden, die es in dieser Gegend gab, doch Palidar wusste, was es damit auf sich hatte, und das war kein Grund zum Lächeln gewesen. Er war derjenige gewesen, der an den Schauplatz eines Wolfkampfes gekommen war, bei dem es viel Blut gegeben hatte, ein scheußlich zerfetztes Weibchen und ein Männchen, das Wolf hatte töten können. Palidar hatte es gehäutet und das Fell als Verzierung einer Tasche oder eines Speerköchers verwenden wollen, doch als er seinen Freund Tivonan besuchte, um ihm seinen Fund zu zeigen, witterte Wolf den Geruch des Männchens und griff den jungen Mann an. Selbst Ayla hatte nur mit Mühe den vierbeinigen Jäger von Palidar
Weitere Kostenlose Bücher