Strom, läßt sich durchschütteln und hört auf, wenn es keinen Spaß mehr macht. Man schaltet am Fernseher herum, bis man eine Verfolgungsjagd im Apparat hat, sieht sie sich eine Weile lang an und wählt dann wieder ein anderes Programm, vielleicht ohne das Ende der Verfolgungs jagd abzuwarten. Man geht in die Diskothek, taucht in ein Ambiente von Musik, Lichtreflexen, Gesprächsfetzen und ein wenig Erotik ein, um nach einer gewissen Zeit einfach wieder hinauszugehen. Die Ästhetik von Spannung als konstanter Zustand, nicht als zyklischer Prozeß, ist das Genußprinzip von Computerspielen und Fahren mit Höchstgeschwindigkeit. Auch im Bedürfnis nach Abwechslung kommt dieses Prinzip zum Ausdruck. Damit die Grundspannung erhalten bleibt, muß es immer etwas Neues geben ... so entsteht das Bild einer Grundorientierung, bei der Unruhe und erhöhtes Aktionspotential kombiniert sind mit der Bereitschaft, sich durch starke Erlebnisreize stimulieren zu lassen« (Schulze, 1992, S. 155). Welcher Medienkonsum ergibt sich aus dieser Mentalität?
Das Selbstverwirklichungsmilieu will vor allem eins: sich nicht festlegen. Selbstverwirklichung, Entfaltung eines inneren Kerns ist die zentrale Lebensaufgabe, aus ihr heraus definieren sich die existentiellen Anschauungsweisen: »Als gegeben gilt dabei das Ich, auf dessen vorgestellte Ordnung die Welt als variierbare Größe bezogen wird ... Sie denken: So bin ich – wie kann die Welt für mich passend gemacht werden? ... Doch ist der Innere Kern empfindlich; seine Entwicklung kann leicht gestört werden. Fast immer ist das subjektive Modell des Inneren Kerns verbunden mit Vorstellungen seiner Beschädigung ... Für ihre Entdeckung und Heilung wird Zeit und Energie aufgewendet. Viele Gespräche drehen sich vorwiegend um dieses Thema; Selbsterfahrungsgruppen sind ... im Kursangebot von Volkshochschulen zur Routine geworden; Selbstdeutungsliteratur flutet mit immer neuen Bestsellern in die Bücherregale des Milieus ... Meditationsworkshops, kreatives Malen, Yoga, Tanztherapie und zahlreiche andere Formen der Beschäftigung mit sich selbst haben sich an die ... Psychotherapie angegliedert« (Schulze, a.a.O., S. 313f.). Dieses Milieu tendiert ebenfalls eher in die hochkulturelle Richtung, präferiert aber daneben wegen der Tendenz zum Spannungsschema zugleich Diskotheken, Nachtlokale, Kneipen, Rock- und Popkonzerte, Kino etc. Dabei entstehen auch neue, unverwechselbare Formen der »Kleinkunst«. Diese Gruppe hat eine vergleichsweise große Distanz zum Fernsehen und zu Boulevardzeitungen sowie eine ausgeprägte Affinität zu überregionalen Tageszeitungen (z.B. taz), zur Zeit und zum Spiegel sowie zu (alternativen) Stadtmagazinen. Kennzeichnend ist auch ein ausgeprägtes psychologisches Interesse und die Teilnahme an dem, was man als »Psycho-Boom« bezeichnet.
Schließlich das Unterhaltungsmilieu: Seine existentielle Anschauungsweise ist wie beim Selbstverwirklichungsmilieu egozentrisch, jedoch ohne die dort vorhandene Entwicklungsperspektive. Das Unterhaltungsmilieu ist auf die Gegenwart beschränkt. Bei der Suche nach »Action« orientiert sich diese Gruppe vorzugsweise am kommerziellen Angebot der Unterhaltungsapparate: Fernsehen, Sportveranstaltungen, Volksfeste, Rockkonzerte, Diskotheken, Animateure in Ferienclubs und Spielautomaten werden als Beispiele genannt. Lektüre und Fernsehverhalten entsprechen häufig dem Unterhaltungsmilieu, von dem sich diese Gruppe vor allem durch die Suche nach Spannung unterscheidet. In diesem Milieu sind die meisten Raucher und die meisten Übergewichtigen zu finden. Interessant im gegenwärtigen Zusammenhang ist auch die ausgeprägte Körperorientierung: Man besucht häufig Bräunungsstudios und betreibt Bodybuilding.
Streben nach Rang, Konformität oder Geborgenheit – es leuchtet unmittelbar ein, daß die existentiellen Anschauungsweisen der Älteren kein besonders guter Nährboden für den Histrio sind. Gleichwohl stellt sich auch hier die Frage: Wie beeinflußt das Fernsehen das Niveau-, das Integrations- und das Harmoniemilieu hinsichtlich der Entwicklung des neuen Sozialcharakters?
Blicken wir zur Beantwortung dieser Frage auch hier zunächst auf die formal Hochgebildeten. Besitz und Bildung, Familienbande und Freundeskreise schützen vor dem Erlebnis der Bindungsunsicherheit. Allerdings gehören Selbstdarstellung und -inszenierung durchaus zum Rangstreben des Niveaumilieus, allerdings in einer subtilen, konservativen und hochkulturell
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