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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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181) hält den Narzißmus für ein zentrales Motiv bei Politikern: »Unter den politischen Führern ist ein hochgradiger Narzißmus häufig anzutreffen. Man kann ihn als Berufskrankheit – oder auch als Berufskapital – auffassen, besonders bei denen, die ihre Macht ihrem Einfluß auf ein Massenpublikum verdanken. Wenn der betreffende Führer von seinen außergewöhnlichen Gaben und von seiner Mission überzeugt ist, wird es ihm leichter fallen, das große Publikum zu überzeugen.«
    Ja, das Persönlichkeitsmerkmal Narzißmus könnte erklären, warum die öffentliche Behandlung des Privatlebens für Politiker durchaus nichts ist, worunter sie leiden: Für ausgeprägte Narzißten ist es im Gegenteil genau das, wonach sie streben, selbst dann, wenn die Berichterstattung negativ ist. Eine schlechte Presse ist besser als gar keine Presse, so würde es ein PR-Fachmann ausdrücken. Richard Sennett (1983, S. 43) schreibt dazu: »In der modernen Politik käme es einem Selbstmord gleich, wollte ein Politiker darauf beharren, daß man sein Privatleben aus dem Spiel läßt, wenn er sagen würde: Kümmert euch darum, ob ich gute Gesetze mache oder sie gut ausführe und was ich vorhabe, wenn ich im Amt bin. Statt dessen geraten wir in Entzücken, wenn ein französischer Präsident mit einer Arbeiterfamilie zu Mittag ißt, auch wenn er ein paar Tage vorher die Lohnsteuer angehoben hat. Und wir glauben, ein amerikanischer Präsident sei ›natürlicher‹ und zuverlässiger als sein in Ungnade gefallener Vorgänger, weil sich der neue Mann sein Frühstück selbst zubereitet.«
    Eine solche Gesetzmäßigkeit erkennen politische Akteure und ihre jeweiligen Berater schnell. Entsprechend wählen sie Kommunikationsstrategien, die ihnen Medienauftritte verschaffen. Wenn Politiker ihre Aktivitäten nach denjenigen Faktoren ausrichten, die sie für die Medien interessant machen, so erhöhen sich natürlich ihre Chancen, Präsenz in den Massenmedien zu gewinnen. Dazu eignen sich auch politisch irrelevante Verhaltensweisen wie Fallschirmspringen, Büttenreden oder Planschen mit einer neuen Geliebten im Pool. Sind Politiker erst einmal in den Medien hinreichend präsent, beginnt der Prozeß der »Prominentenzirkulation« (Peters, 1996, S. 110), bei dem sie dann durch die entsprechenden Sendungen aller Sender wandern. Ohne Zweifel, eine derartig personalisierte Darstellung von Politik in den Medien spricht Menschen mit einer ausgeprägten narzißtischen Persönlichkeitsstruktur besonders an.
    Eine ganz besondere Rolle spielen dabei übrigens die Wahlkämpfe. In der Medienforschung ist diese Einsicht mit einem ganz konkreten Ereignis verbunden, nämlich der ersten TV-Debatte im Jahr 1960 zwischen dem damaligen Vizepräsidenten Nixon und dem damaligen Senator Kennedy im Kampf um das Amt des amerikanischen Präsidenten. Die Wirkungen dieser Debatte wurden in über 30 Forschungsprojekten stärker besprochen, beschrieben, diskutiert, untersucht, analysiert und bearbeitet als jede andere politische Innovation im Fernsehzeitalter. Das Hauptergebnis war die Entdeckung des Imagefaktors. Das Bildmedium Fernsehen ist wie kein anderes Medium in der Lage, ein positives oder negatives Image eines Kandidaten zu zeichnen und zu vermitteln. Unter diesem Gesichtspunkt wurde übrigens Kennedy allgemein als der Sieger angesehen. Sein knapper Wahlsieg (er erhielt 50,1% der abgegebenen Stimmen und gewann mit einem Vorsprung von 119.500 Stimmen) wurde von Journalisten, Wahlkampfhelfern, Wissenschaftlern und den Kandidaten selbst hauptsächlich als Folge dieser Fernsehauftritte interpretiert. Galt er vor der Sendung bei vielen Wählern als junger, ehrgeiziger und unerfahrener Politiker, so war es ihm gelungen, sich in der Diskussion mit Nixon als sachkundig und intelligent darzustellen. Das Image von Nixon hingegen verbesserte sich kaum, im Gegenteil, eine Kleinigkeit wie ein nicht ausreichend rasierter Nachmittagsbart führte angeblich sogar zu einer leichten Verschlechterung (Nixon, 1978, S. 219).
    In den USA werden seitdem Wahlkämpfe personenbezogen, als Wettkampf der Kandidaten geführt. »Character issues«, Persönlichkeitsmerkmale der Spitzenkandidaten, dominieren die Berichterstattung in den Medien (vgl. dazu Schulz, 1997). Unter dem Stichwort »Amerikanisierung von Wahlkämpfen« werden seit 1990 auch hierzulande Merkmale amerikanischer Wahlkampagnen übernommen. Diese Personalisierung von Wahlkämpfen bedeutet konkret eine Konzentration der Wahlwerbung

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