Mitmenschen? Die Antwort suchen wir in drei Bereichen, nämlich
im Wahl-,
im Arbeits- und
im Bindungsverhalten.
Dafür stehen die drei Sachverhalte in bezug auf Wechselwähler, Bindung an den Arbeitsplatz und Ehescheidungen.
Vorweg lassen sich einige Vermutungen zum Sozialverhalten des Histrio zusammentragen: Erinnerlich ist er egozentrisch und publikumsorientiert. Er füllt seine innere Leere häufig mit ausgeprägtem Erlebnishunger nach aufregenden äußeren Ereignissen, zu denen bevorzugt erotische und sexuelle Beziehungen gehören. Er gibt sich häufig verführerisch im Sinne einer Sexualisierung jeder Aktivität: Männer geben sich daher gern als »womanizer«, als aggressive, hypersexuelle und hypermaskuline Don Juans; Frauen – mit Blick auf das männliche Publikum – als pseudofeminine Vamps. Seine romantisierende Denkweise führt zu schnellen und nachhaltigen Idealisierungen der mit ihm in Verbindung stehenden Menschen. Diese werden so gesehen, wie der Histrio es braucht und will, entsprechend ist er schnell begeistert oder verliebt. Die andere Seite: Aus der Not der früh erfahrenen Bindungsunsicherheit heraus hat der Histrio auch starke (oft: unbewußte) Wünsche nach einer engen Beziehung, einem verläßlichen Partner, der Entscheidungen für ihn trifft, ihm Ratschläge gibt und ihn in einer stabilen Beziehung hält. Zu diesem Partner baut er abhängig-aggressive Beziehungen nach dem Muster fordernder Abhängigkeit (»demanding dependency«) auf. Da der Partner den romantisierenden und idealisierenden Forderungen des Histrio trotz deren manipulativer oder aggressiver Interventionen auf Dauer gar nicht gerecht werden kann, bricht die Idealisierung notwendigerweise zusammen. Depotenzierung und schroffe Ablehnung sind die Folgen. Wie zeigen sich diese allgemeinen Charaktermerkmale nun konkret?
Beginnen wir mit dem politischen Handeln als dem für die Gesellschaft wichtigsten Bereich: Welche Rolle spielt der histrionische Sozialcharakter also auf diesem Feld (vgl. zum Folgenden Winterhoff-Spurk, 1999)? Da nur um die 10% der Bevölkerung die Gelegenheit zu persönlichen Kontakten mit Politikern nutzen, sind Beziehungen zu Politikern ja meistens parasoziale Beziehungen (vgl. Schulz, 1997, S. 210). Gleichwohl sind es für die Gesellschaft außerordentlich wichtige Beziehungen, da die Auswahl der politischen Eliten für das Funktionieren der Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Wie also entwickeln sich parasoziale, medienvermittelte Beziehungen zu Politikern?
»Der Klient ist das erwachsene Kind eines alkoholkranken Stiefvaters. Er adoptierte die Rolle des Helden in einem kranken Familiensystem. Er benutzt Verdrängung als primären Abwehrmechanismus. Sein momentanes Verhalten ... zeigt an, daß der Klient wenig Einsicht hinsichtlich der Auswirkungen seiner Kindheitserfahrungen auf seine aktuellen Schwierigkeiten hat. Er leugnet persönliche Verantwortlichkeiten und kompromittiert Dritte. Aufgrund der lang andauernden psychischen Vorbelastung zeigt er periodisch wiederkehrende Wutausbrüche, die sich mit aktuellen Anlässen vermischen und für Dritte nur noch schwer nachvollziehbar sind. Die ... Akzeptanz der Heldenrolle führt wiederholt zur Selbstdemontage und zu einem selbst herbeigeführten Chaos. Sexuell ungebremstes Verhalten erscheint wahrscheinlich und konsistent für diesen Klienten mit mangelnder Krankheits- und Problemeinsicht« (Fick, 1995, S. 221 f.). Um wen mag es in diesem Zitat gehen?
Die Antwort ist: Der Text gilt dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten William Jefferson Clinton. Er endet mit einem Therapievorschlag: Der Autor, ein amerikanischer Psychologe mit dem für deutsche Verhältnisse ebenso unschicklichen wie passenden Namen Dr. Paul Fick, rät zu einer längeren individuellen Psychotherapie mit anschließender Gruppen- und Familientherapie. Angesichts eines solchen Buches und anderer Veröffentlichungen über die sexuellen Affären von Clinton wurde seinerzeit eindrucksvoll deutlich: Menschen, die sich Politik als ihren Beruf ausgesucht haben, müssen auf eine Privatsphäre weitgehend verzichten.
Menschen, die von der Politk leben: In Deutschland sind es etwa 2.750 Abgeordnete der Länderparlamente, des Bundestages und des Europaparlaments, rund 230 Regierungsmitglieder, der Bundespräsident, ca. 900 politische Beamte sowie 6.700 kommunale Wahlbeamte, also insgesamt rund 10.500 Bürger (vgl. von Arnim, 1997, S. 14ff.). Diesen Beruf auszuüben, erreicht man nicht
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