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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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ohne erhebliche Anstrengungen; die meisten haben eine lange »Ochsentour« durch die jeweiligen Parteien hinter sich: Durchschnittlich 16 Jahre vergehen zwischen Parteieintritt und der Übernahme eines Landtagsmandats (a.a.O., S. 112). In dieser Zeit haben sie Hunderte von Mitgliederversammlungen und Gremiensitzungen, öffentliche Veranstaltungen und private Treffen hinter sich gebracht und dabei Stück für Stück an Popularität (meistens auch an Körpergewicht) zugelegt. Beliebt sind sie dadurch nicht geworden, denn Berufspolitiker stehen meist am Ende entsprechender Berufsprestige-Skalen (vgl. Der Spiegel Nr. 24 vom 24.6.02, S. 77). Dann endlich dürfen sie sich »MdL« auf die Visitenkarte drucken lassen und können bis zur nächsten Wahl auf den Hinterbänken eines Landesparlaments Platz nehmen. Angesichts eines solchen aufreibenden Wegs, des damit offenbar verbundenen Verlusts an Privatheit und des ziemlich geringen sozialen Prestiges stellt sich zuerst einmal die Frage: Wer tut sich das alles aus welchem Grund freiwillig an?
    Der Grund könnte das Machtmotiv sein, also das Bestreben von Menschen, das Erleben und Verhalten anderer nachhaltig zu beeinflussen. In der modernen Psychologie geht die Idee, menschliches Handeln sei wesentlich durch dieses Motiv bestimmt, auf Alfred Adler und seine Individualpsychologie zurück. Seiner Ansicht nach ist die Grunderfahrung menschlicher Existenz ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Anforderungen des Lebens. Dieses Gefühl führt unter normalen Umständen zu einem Verhalten, das die erlebten Unzulänglichkeiten angemessen kompensiert. Gelingt dies aber nicht, erlebt der Mensch beispielsweise eine besonders harte, lieblose Kindheit, so wird aus dem Minderwertigkeits gefühl ein Minderwertig keitskomplex. Das daraus folgende Verhalten ist durch das Bestreben gekennzeichnet, dauerhafte persönliche Überlegenheit über andere Menschen zu gewinnen: »Die Nase hoch tragen, Eitelkeiten in bezug auf äußere Erscheinung, sei diese nobel oder vernachlässigt, aus der Art fallende Trachten, übertrieben männliches Auftreten bei Frauen, weibliches bei Männern, Hochmut, Gefühlsüberschwang, Snobismus, Prahlsucht, tyrannisches Wesen, Nörgelsucht, ... Entwertungstendenz, übertriebener Heroenkult sowie eine Neigung, sich an Prominente anzubiedern oder über Schwache, Kranke, über Personen von geringen Dimensionen zu gebieten, Betonung der besonderen Eigenart, Mißbrauch von wertvollen Ideen und Strömungen behufs Entwertung der anderen usw. ... Ebenso Affektsteigerungen wie Zorn, Rachsucht, Trauer, Enthusiasmus, habituell schallendes Lachen, Weghören und Wegblicken beim Zusammentreffen mit anderen, das Lenken des Gesprächs auf die eigene Person, habitueller Enthusiasmus ...«, so beschreibt Adler dieses Verhalten (1933, S. 81 f.).
    Selbstverständlich muß, wer politisch aktiv ist, Macht gewinnen, ausüben und verteidigen. Zum Problem wird dieses Bestreben allerdings dann, wenn Menschen Macht nicht primär zur Umsetzung politischer Ziele, sondern um ihrer selbst willen anstreben, Macht also das zentrale Lebensmotiv, der Machterwerb gar zur Sucht wird. Solche Menschen nehmen, wenn sie die Politik als ihr Berufsfeld wählen, die oben erwähnten Verletzungen ihrer Privatsphäre um des langfristigen Machtgewinns willen ebenso in Kauf, wie ein Alkoholkranker den Kater. Was das Bild von der »Droge Macht« allerdings nicht erklärt: Warum eigentlich stellen Politiker häufig genug ihr Privatleben – einschließlich der Krankheiten – selbst, oft genug jenseits der Peinlichkeitsgrenze und offenbar sogar gerne zur Schau? Der häufig beklagte Verlust an Privatheit ist ja zugleich ein Gewinn an Öffentlichkeit. Zur Beantwortung dieser Frage muß zur Erklärung »Machtmotiv« noch etwas hinzukommen.
    Was dies sein könnte, dazu findet sich in Thomas Kornbichlers Buch Die Sucht, ganz oben zu sein (1996, S. 69) eine wichtige Überlegung: »Machttypen sind in aller Regel narzißtische Menschen ... Was beim narzißtischen Machtmenschen zählt, ist Bewunderung, die ihm seitens seiner Umwelt und der Massen zuströmt. Das Bad in der Menge, der egozentrische Auftritt auf großer Bühne, die Fernsehshow, der Medienrummel, die Parteitage sind für ihn Mittel, das innerlich leere Selbst affektiv aufzuladen.« Mit diesem Hinweis auf eine narzißtische Persönlichkeitsstruktur als Erklärung findet sich Kornbichler in guter Gesellschaft. Auch der Sozialpsychologe Erich Fromm (1974, S.

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