Roper. »Der Mann, der die Eisenbahn baute, baute auch das Haus. Es war mein Großvater, Joseph Roper, allgemein bekannt als Wide Joe. Wide Joe mochte Züge.«
»Sonst gibt es hier auch nicht viel Gesellschaft«, warf Mimi ein, die die heiße Suppe verschlang.
»Dies war eine der letzten Haupteisenbahnlinien, die gebaut wurde«, fuhr Roper fort. »Jeder sagte, es wäre unmöglich, doch sie wagten es dennoch, teils weil das Land in diesem Tal billig war, was es heute noch ist. Aber mein Großvater war ein genialer Ingenieur, und er schaffte es. Die Stiche in diesem Zimmer zeigen verschiedene Stationen seiner Arbeit.«
»Ich nehme an, er sah hierin sein Meisterwerk und wollte in seiner Nähe leben, als er sich zur Ruhe setzte?« erkundigte Margaret sich höflich.
»Nicht, als er sich zur Ruhe setzte. Er setzte sich nämlich nie zur Ruhe. Er baute dieses Haus gleich zu Beginn seiner Arbeit und lebte hier bis zu ihrem Ende. Es dauerte 20 Jahre, bis die Eisenbahn fertiggestellt war.«
»Ich verstehe nicht viel vom Eisenbahnbau, aber das ist sicher eine sehr lange Zeit?«
»Es gab Schwierigkeiten. Schwierigkeiten von einer Art, die mein Großvater niemals erwartet hätte. Die Kosten ruinierten die Gesellschaft, die daraufhin fusionieren mußte. Meinen Großvater trieben sie beinah in den Wahnsinn.« Margaret konnte es sich nicht verkneifen, Mimi einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. »Alles hatte sich gegen ihn verschworen. Es geschahen Dinge, die er nicht vorausgesehen hatte.«
Beech erschien wieder und ersetzte die Suppe, die er forttrug, durch einen Berg Würstchen in einem Festungswall aus Kartoffelbrei. Als er mit der heißen und schweren Platte hantierte, bemerkte Margaret einen großen, matten, kohlschwarzen Ring am Mittelfinger seiner linken Hand.
»Einfache Hausmannskost«, entschuldigte sich Roper. »Etwas anderes bekommt man heuzutage nicht.«
Nichtsdestotrotz fanden die Frauen es einfach großartig.
»Ich sehe, was man die ›Eisenbahneinflüsse‹ am Haus nennen könnte«, sagte Margaret.
»Mein Großvater lebte zu einer Zeit, als der Eisenbahningenieur für jede Einzelheit verantwortlich war. Nicht nur für Tunnel und Brücken, auch für Lokomotiven und Waggons, Bahnhöfe und Signale, sogar für Plakate und Fahrkarten. Er war ganz allein für alles verantwortlich. Ein Studierter hätte diese Anspannung niemals ausgehalten. Wide Joe war Autodidakt.«
Während des Abendessens erschütterten von Zeit zu Zeit vorbeifahrende Züge den massiven Tisch und die massiven Gegenstände darauf. »Jetzt erzählen Sie aber von sich«, sagte Wendley Roper, als hätte er soeben seine Lebensgeschichte beendet. »Doch nehmen Sie zuerst jede noch ein Würstchen. Hinterher gibt es nur noch Kompott.« Sie nahmen an.
»Wir sind im Staatsdienst«, sagte Mimi. »Das hat uns zusammengebracht. Ich komme aus London und Margaret aus Devonshire. Mein Vater ist Friseur und Margarets Vater ein Lord. Jetzt wissen Sie alles über uns.«
»Ein vollkommen bankrotter Lord, wie ich leider gestehen muß«, ergänzte Margaret leise.
»Wie ich hörte, sind die meisten Lords heutzutage bankrott«, sagte Roper mitfühlend.
»Und viele Friseure«, sagte Mimi.
»Jedermann, außer den Staatsdienern, nicht wahr?« sagte Roper.
»Darum sind wir Staatsdiener«, erwiderte Mimi, die ihrem letzten Würstchen die ungenießbare Haut abzog. » Sie scheinen allerdings nicht völlig bankrott zu sein«, fügte sie hinzu. Das Essen machte sie munter.
Er gab keine Antwort. Beech war mit einer großen, tiefen, aber wenig reizvoll geschliffenen Glasschüssel hereingekommen, die mit eingemachten Pflaumen gefüllt war.
»Früchte der Region«, sagte Roper verzagt.
Aber sie aßen sogar eingemachte Pflaumen.
»Ich bin überaus glücklich darüber, daß Sie hier sind«, bemerkte er, nachdem er ihnen vorgelegt hatte. »Ich sehe beinahe niemanden, und am wenigsten so attraktive Frauen.«
Sein Ton war so offen und ehrlich, daß Margaret sich sofort geschmeichelt fühlte. Da sie bis zu diesem Jahr, da sie eine Stelle angenommen hatte, ihr ganzes Leben vor dem Hintergrund verzweifelter und, wie sie fand, unverdienter Geldsorgen verbracht hatte, überdies in einem abgelegenen Landkreis, war sie bisher nur wenigen Männern begegnet. Selbst ein so schlichtes Kompliment von einem gutaussehenden und redegewandten Mann bedeutete ihr unverhältnismäßig viel. Sie bemerkte indes, daß Mimi überhaupt keine Notiz davon zu nehmen schien.
»Ich weiß nicht, was ohne
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